(C) AC/DCGeschrieben von: Klaus Saalfeld
Band: AC/DC
Album: Power Up
Genre: Hard Rock
Plattenfirma: Columbia (Sony Music)
Veröffentlichung: 13.11.2020
Mal ehrlich, nach all dem, was in den vergangenen sechs Jahren rund um die Band passiert ist, hätten nicht allzu viele noch einen Pfifferling daraufgesetzt, dass es irgendwann noch einmal ein Album mit neuen Songs unter dem Banner AC/DC geben würde. Nachdem kurz vor Veröffentlichung von „Rock Or Bust“ (2014) zunächst die Demenz Erkrankung von Gitarrist Malcolm Young bekannt und dieser durch seinen Neffen Stevie Young ersetzt worden war, kam Drummer Phil Rudd mit der neuseeländischen Justiz in Konflikt und musste seinen Platz für den früheren Bandschlagmann Chris Slade freimachen. Während der darauffolgenden Welttournee musste auch noch Sänger Brian Johnson aufgrund von Gehörproblemen die Segel streichen, Guns’n Roses Frontsirene Axl Rose sprang für Johnson ein und spielte die Tour zu Ende. Im Sommer 2016 gab schließlich Bassist Cliff Williams seinen Ausstieg nach Abschluss der „Rock Or Bust“ Tour bekannt. Als dann auch noch Malcolm Young am 18.11.2017 den Folgen seiner Demenzerkrankung verstarb, schien dies das Ende der australischen Rock Legende zu sein, auch wenn dies nie von offizieller Seite bestätigt wurde.
Im Sommer 2018 machten jedoch erste Gerüchte über ein neues Album die Runde, nachdem die Band sowie Produzent Brendan O’Brien beim Verlassen der Warehouse-Studios in Vancouver gesichtet worden waren. Diese Gerüchte wurden seit Anfang 2019 immer wieder von diversen „Insidern“ befeuert, doch eine offizielle Stellungnahme von Seiten der Band oder des Managements blieb aus. Erst vor einigen Wochen bekamen die Fans dann endlich Gewissheit, die neue Scheibe „Power Up steht in den Startlöchern, und zwar eingespielt im Line Up der vergangenen vier Alben – mit Ausnahme von Malcom natürlich, der wie gehabt von Stevie Young ersetzt wird.
Die Songs auf „Power Up“ stammen laut Angus alle aus der Zeit vor „Black Ice“, dem letzten Album, auf dem sein verstorbener Bruder noch zu hören ist. Sie hätten seinerzeit so viel Material gehabt, dass Malcolm auf seinen Vorschlag, die Songs doch fertig zu stellen nur abgewunken habe und diese fürs nächste Album aufheben wollte, wozu es dann aber bekanntermaßen nicht mehr kam. Und so klingt das siebzehnte Studioalbum der Aussies, als hätte es die ganzen Probleme der vergangenen Jahre nie gegeben. Die Band klingt druckvoll und tight wie immer, die Songs überschreiten kaum die vier Minuten Marke, Brian Johnson krächzt und schreit wie in besten Zeiten und Flitzefinger Angus & Co. hauen dem Hörer ein Riff nach dem anderen um die Ohren. Kurzum: Wo AC/DC draufsteht, ist auch AC/DC drin, oder hat tatsächlich irgendjemand geglaubt, die Jungs würden auf ihre alten Tage noch anfangen zu experimentieren?
Die ersten Takte von „Realize“ erinnern vom Vibe her an „What Do You Do For Money Honey“ und bauen gekonnt den Spannungsbogen auf, der sich nach etwa 17 Sekunden in einem schwungvollen riffbetonten Groover entlädt. Der raunende Backgroundgesang – soweit man diesen als solchen bezeichnen kann – tut ihr übriges dafür, dass sich die Nummer nach ein/zwei Durchläufen festsetzt, und wenn Brian die Textzeile „I got the power to electrify, make it plain to satisfy, feel the chills up and down your spine, I’m gonna make you fly“ klingt das definitiv nach einem Versprechen für die folgenden elf Tracks.
Das nachfolgende „Rejection“ knüpft fast nahtlos an den Opener an, auch wenn die Nummer im mittlerweile fast schon typischen, gemächlichen Alt-Herren Rock daherkommt (und dass meine ich mit größtem Respekt). Für ein leichtes Schmunzeln sorgen die im Hintergrund eingestreuten „uuh uuh“ Gesänge, die man eher von den Stones kennt und im AC/DC Kosmos atypisch wirken, den Song aber deshalb noch lange nicht abwerten. Die vorab veröffentlichte Single „Shot In The Dark“ klingt im besten Sinne wie eine Melange aus „Stiff Upper Lip“ und „Rock’n Roll Train“ und bietet eine bekannt simple, aber eingängige Hookline, garniert mit einem netten Blues-Solo und eindeutig zweideutigen Lyrics.
„Through The Mists Of Time“ wiederum vermittelt das Gefühl, man habe hier das Beste von „Play Ball“ und „Money Talks“ in einen Kessel geworfen, ein paarmal kräftig gerührt und unter Hinzufügen einer feinen Melodielinie brühwarm serviert. Die Nummer verfügt über ein gewisses Hitpotential und wäre beinahe ein Kandidat für alle weichgespülten Radiosender dieser Welt. „Kick You When You’re Down“ wirkt auf den ersten Blick nicht wirklich spektakulär, groovt aber ohne Ende und schafft es letztlich doch zu überzeugen. „Witch’s Spell“ ist da schon wesentlich leichter zugänglich und liefert ein Paradebeispiel dafür, man habe ständig das Gefühl, den Song schon einmal gehört zu haben, ohne dass man den entsprechenden Titel nennen kann. Aber seien wir ehrlich, dies ist nicht der erste Track, auf den dieses Merkmal zutrifft.
Wie um meine Worte zu unterstreichen, klingt der mit Abstand dynamischste Track „Demon Fire“ wie eine Kopie von „Safe In New York City“, während „Wild Reputation“ entgegen seines Titels eher handzahm daherkommt und – wenn man ehrlich ist – sowas wie den Schwachpunkt des Albums darstellt. „No Man’s Land“ dagegen bietet gediegenen gefühlvollen Blues, bei dem ein gepflegtes Wippen mit Kopf und Fuß nahezu unvermeidlich ist.
Obwohl AC/DC sich selbst immer als unpolitisch bezeichnen, meint man bei „System’s Down“ tatsächlich systemkritische Töne auszumachen, wenn Brian „we’re gonna kill the ocean“ oder „this furnace is about to burst“ anstimmt. Auch sonst rockt die Nummer ordentlich ab und zählt für mich zu den besseren Stücken der Langrille. „Money Shot“ kredenzt altbewährtes, grundsolides Rock-Entertainment ohne große Ausschläge nach oben oder unten, dafür hat „Code Red“ wesentlich mehr Widerhaken und Groove und ruft einem noch einmal nachhaltig in Erinnerung, dass die Band immer noch in der Lage ist, zu liefern wonach es den Fans gelüstet.
Ist „Power Up“ nun ein starkes „Comeback“ und nur ein (letzter?) lauwarmer Aufguss eines altbekannten Sounds? Die Frage muss natürlich jeder für sich selbst beantworten. Für mich ist das Album eine gute Rock Scheibe, die seinen enttäuschenden Vorgänger „Rock Or Bust“ deutlich übertrifft. Natürlich kann „Power Up“ nicht mit Klassikern wie „Back In Black“ oder „Highway To Hell“ mithalten und zieht auch im Vergleich mit „The Razor’s Edge“ leicht den Kürzeren, aber ein neues Über-Album hat wohl auch niemand ernsthaft erwartet. Unterm Strich ist Power Up vor allem eines: eine gelungene Hommage an den verstorbenen Malcolm Young. Und wenn man Sänger Brian Johnson glauben darf, dann wird dies nicht der Schwanengesang der in die Jahre gekommenen Herren sein, denn angeblich existiert noch genug Material für ein bis zwei weitere Alben. Nur nochmal sechs Jahre sollten sich die Riff-Senioren vielleicht nicht mehr Zeit lassen…
Von mir gibt es 8 von 10 Hellfire-Punkten
Trackliste:
1. Realize
2. Rejection
3. Shot in The Dark
4. Through The Mists Of Time
5. Kick You When You’re Down
6. Witch’s Spell
7. Demon Fire
8. Wild Reputation
9. No Man’s Land
10. System Down
11. Money Shot
12. Code Red
Line Up:
Angus Young: Gitarre
Brian Johnson: Gesang
Stevie Young: Gitarre
Cliff Williams: Bass
Phill Rudd: Drums
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Video zu „Shot In The Dark“