Geschrieben von Michi Winner
Band: ASP
Album: Zaubererbrüder Live & Extended
Genre: Gothic Novel Rock
Plattenfirma: Trisol
Veröffentlichung: 08. März 2019
10 Jahre nach der Veröffentlichung ihres legendären Krabat-Zyklus haben ASP ihn letztes Jahr auf die Bühne gebracht und zwar nicht einzelne Songs, sondern das komplette Doppelalbum mit seinen 85 Minuten Spielzeit. Ich bin mir nicht sicher, ob ASP sich im klaren war, was das bedeutet, als er diese Idee hatte und beschloss sie in die Tat umzusetzen. Nachdem ich mich die letzten Stunden ausführlich mit den Newseinträgen aus 2018 der Homepage der Band beschäftigt habe, bezweifle ich es. Ein so gewaltiges Werk würdig auf die Bühne zu bringen war mit Sicherheit aufwändiger als es sich im ersten Moment anhört. Außer den üblichen Bandmitgliedern, war hier weitere Unterstützung nötig. Mit Thomas Zöller am Dudelsack war zumindest der Erste schnell gefunden und überzeugt, auch Nikos Mavridis und seine Violine waren bereits alte Bekannte, fehlte noch eine Besetzung des weiblichen Gesangsparts. Hier hat sich dann gezeigt, dass die Datensammelwut von diversen Onlinediensten auch positive Seiten haben kann. Gefunden wurde Patty Gurdy nämlich mehr oder weniger zufällig durch eine Empfehlung bei YouTube. Das hat schon fast was von Dating-Seite für Musiker. Wir alle können uns jedoch glücklich schätzen, dass ASP und Patty sich gefunden haben, da die Stimmen perfekt miteinander harmonieren.
Auf die Songs des Zaubererbruder-Album im Einzelnen möchte ich an dieser Stelle gar nicht eingehen, da nach 10 Jahren wahrscheinlich bereits alles gesagt ist, was es zu sagen gab. Die Songs wurden für diese Tour noch mal ein wenig überarbeitet, um sie „bühnentauglich“ und „singbar“ zu machen. Das Textlernen hat auf jeden Fall gut funktioniert, auch wenn es verdammt viel Arbeit war und eben auch bei den Proben aufgefallen ist, dass einige Änderungen nötig sind, um dieses Mammutprojekt stimmlich durchzuhalten. Technisch haben alle da ganze Arbeit geleistet. Auf den Live-Aufnahmen ist nicht nur alles stimmig, sondern auch von einer so überragenden Qualität, dass der Live-Effekt nur durch Interaktionen mit dem Publikum zum Vorschein kommt. Die Balance der einzelnen Tonspuren und die Klarheit der Aufnahmen überzeugen mich voll und ganz. So gute Live-Aufnahmen habe ich bisher selten gehört. Chapeau!
ASP wäre aber nicht ASP, wenn er einfach „nur“ das Doppelalbum auf die Bühne gebracht hätte. Wäre ja langweilig. Außerdem war das DIE Gelegenheit seit 10 Jahren schlummernde aber immer noch nicht abgehakte Songideen zu verwirklichen, die es damals – auch aus Zeitgründen – nicht mehr auf das Album geschafft hatten. Wenn man nur Arrangements ändern, ein Crowdfunding organisieren (für die Live-Aufnahmen) und Musiker suchen muss, ist man ja nicht ausgelastet, da kann man ja noch eben zwei neue Songs schreiben und auch noch einstudieren (Ja. das war Ironie). An dieser Stelle meiner Überlegungen ertönt plötzlich noch eine leise Stimme in meinem Hinterkopf „Stand in den News nicht was von einer Pause?“ Stimmt ja, der Plan war ja offenbar sich nebenbei auch noch eine Pause zu gönnen. Ich wage mal die Prognose, dass die „ungelesen-Stapel“ während dieser Pause nicht kleiner geworden sind. Wie dem auch sei. Im Ergebnis darf sich der Hörer hier nicht nur auf die bereits bekannten Songs im wunderschönen Live-Gewand freuen, sondern bekommt mit „Osternacht“ und „Geh und heb dein Grab aus, mein Freund“ auch noch zwei ganz frische Tracks auf die Ohren, die den Zyklus abrunden.
„Osternacht“ ist ein wenig kraftvoller als die ersten Tracks, aber hätte ich es nicht gewusst, hätte ich rein vom Stil her nicht sagen können, dass dieser Song nicht zeitgleich mit den restlichen entstanden ist. Auch das ist eine Leistung, die meiner Meinung nach Anerkennung verdient. Welcher Künstler kann nach 10 Jahren noch das Gefühl und die Stimmung wieder heraufbeschwören und einen Song für ein altes Album schreiben? Auch „Geh und heb dein Grab aus, mein Freund“ ist mehr Teil des Ganzen, als Ergänzung der Erzählung. Mit den beiden Zugaben erstreckt sich dieses Werk über fast zweieinhalb Stunden, was mit zu meinem einzigen Kritikpunkt führt: Zwischendurch fehlt mir Power und Energie, da ist es mir zu ruhig und das in der Kombination mit der Länge macht es mir nicht immer leicht aufmerksam zuzuhören.
Hatte ich schon erwähnt, dass das Songwriting für die beiden geplanten Songs so gut lief, dass bereits ein neues Album in Arbeit ist? Ich bin nicht sicher was mich mehr beeindruckt: das enorme Arbeitspensum des lieben ASP oder die wundervolle Live-Inszenierung dieses Kult-Albums.
Von mir gibt es auf jeden Fall 9 von 10 Hellfire-Punkten!
Trackliste:
CD1:
- Betteljunge
- Krabat
- Die Teufelsmühle
- Denn ich bin dein Meister
- Fluchtversuch
- Osternacht
- Elf und einer
- Geh und heb dein Grab aus, mein Freund
- Mein Herz erkennt dich immer
- Verwandlungen I-III (Das Duell, Die List, Der Tod)
CD2:
- Abschied
- Der Schnitter Tod
- Spottlied auf die harten Wanderjahre
- Zaubererbruder
- Der geheimnisvolle Fremde (Ja, ja, dreimal Hurra!)
- Der Letzte (Krabat Reprise)
- Am Ende
- Zwei Schwäne
- Lesung: Das andere Ende
- Zugabe: Die Untiefen
- Zugabe: Nehmt Abschied / Auld lang syne
Line-Up:
Tossi Gross: Bass
Sören Jordan: Gitarre
Lutz Demmler: Gitarre
Stefan Günther: Schlagzeug
Alexander „ASP“ Spreng: Gesang
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