Böhse Onkelz – Böhse Onkelz

(C) Böhse Onkelz

Geschrieben von: Klaus Saalfeld
Band: Böhse Onkelz
Album: Böhse Onkelz
Genre: Rock
Plattenfirma: Matapaloz (Tonpool)
Veröffentlichung: 28.02.2020

Die BÖHSEN ONKELZ feiern heuer den vierzigsten Jahrestag ihres Bestehens, und dem Anlass entsprechend gibt es mit dem selbstbetitelten siebzehnten Studioalbum neues Futter für alle Neffen und Nichten. Was sich für die einen wie ein verfrühtes – oder in dem Fall eher verspätetes – Weihnachtsgeschenk anfühlt, wird von den meisten anderen womöglich die üblichen ablehnenden Tiraden nach sich ziehen. Wer also die Band – aus welchen Gründen auch immer – meidet wie der Teufel das Weihwasser, der braucht gar nicht erst weiterlesen.

Wer die Onkelz kennt, der dürfte wenig überrascht sein, dass ein solches Jubiläum natürlich dazu genutzt wird, die eigene Karriere mal mehr, mal weniger ernst Revue passieren zu lassen. Entsprechend leitet der „Prolog“ mit den von Schauspieler Ben Becker gesprochenen Worten „Dies ist eine wahre Geschichte…“ besagte Rückblende ein, die von der Band beim nachfolgenden Track nahtlos aufgenommen wird. „Kuchen und Bier“ ist ein klassischer Onkelz Opener mit viel Pathos, der sofort nach vorne geht und zum Feiern animiert. Die Tage des Band Bestehens werden grob abgerundet („14.000 Tage feiern wir mit Kuchen und Bier“) und mit einem Augenzwinkern auf eigene Unzulänglichkeiten („Großes Maul und nichts dahinter…“) in die Vergangenheit zurückgeschaut. Besser hätte das Album nicht starten können.

„Des Bruders Hüter“ soll animieren, sein Leben endlich in die eigene Hand zu nehmen („…ich will das du aufhörst so’ne Pussy zu sein“) und einen neuen Weg einzuschlagen, der Song selbst verfügt über einen lässigen Groove, der von einem coolen Gonzo-Solo gekrönt wird, und der Refrain verfügt über genügend Hooks um sich sofort festzusetzen. „Ein Hoch auf die Toten“ ist zwar kein neues „Nur die Besten sterben Jung“, betrachtet den Tod aber aus einem anderen Blickwinkel („…ich verstehe den Tod nicht als das Ende vom Leben…“) und fragt sich was danach noch kommen mag. Trotz der leicht melancholischen Stimmung dürfte der flotte Track auf der anstehenden Tournee kräftig abgefeiert werden.

„Prawda“ könnte oberflächlich betrachtet als Onkelz typische Presseschelte durchgehen (…“wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden…“), doch geht es allgemein um die Suche nach der Wahrheit und das Hinterfragen der vorgesetzt bekommenen Meinungen. Ansonsten schöner, groovender Rock Song, bei der mir – wie im Übrigen auf dem gesamten Album – Gonzos Gitarren Arbeit besonders hervorsticht,
die meiner Meinung nach ausgefeilter wirkt als noch auf „Memento“. „Saufen ist wie Weinen“ beginnt ungewohnt bluesig, ehe die Band nach knapp einer Minute los rockt. Der Song verfügt über eine gewisse Punk-Attitüde und thematisiert maßlosen Alkohol-Genuss bzw. den Wunsch nach Ruhe am Tag danach („…es ist zu laut in meinem Kopf, zu laut in den Gedanken. Kann die ganze Welt bitte mal die Fresse halten!“). Kevin singt herrlich eindringlich, und man nimmt ihm ohne weiteres ab, dass er dies viel zu oft erlebt hat. Erinnert ein klein wenig an „Es ist wie es ist“ ‚(von „Ein böses Märchen…“).

Bei „Wie aus der Sage“ wird es episch, ein getragener, von Pe geschriebener Song über das Hinfallen und wieder Aufstehen („…ich stehe auf wie aus der Sage mit neuer Kraft aus der Niederlage…“), der gegen Ende an Dynamik zunimmt und letzten Endes doch noch rockt. „Du hasst mich! Ich mag das!“ ist ein punkiger Track mit einem wütenden Kevin über die gepflegten Feindbilder (…“du wünscht mir die Hölle, ich Dir ein kurzes Leben…“), die „ohohoh“ Chöre im Schussteil dürften Live für Gänsehaut sorgen. „Rennt!“ ist abermals ein grooviger, aber auch düster wirkender Rocker aus dem Blickwinkel des Bösen („…ich lösch das Feuer mit Benzin, der Mensch ist ein Stück Dreck…“), der auch wunderbar auf „Ein böses Märchen…“ funktioniert hätte.

„Wer schön sein will muss lachen“ ist ein augenzwinkernder Blick auf das Älterwerden und den Umgang damit (…“der Lack ist ab, doch die Grundierung erste Sahne…“), die Nummer startet abermals bluesig und verweilt größtenteils in einer getragenen Stimmung, die Hookline macht das Teil unweigerlich zum Ohrwurm. „Der Hund den keiner will“ ist der ungewöhnlichste Track auf dem Album, denn die Onkelz integrieren Reggae Elemente in ihren Sound, inhaltlich ein Song für alle Außenseiter und Ausgestoßene („…du schiebst jeden Tag nen anderen Arsch die Leiter hoch…“) und deren schier auswegloses Schicksal. Hätte aufgrund seiner Experimentierfreudigkeit auch gut auf „Memento“ gepasst.

„Flügel für Dich“ geht thematisch in eine ähnliche Richtung wie „Des Bruders Hüter“ (…“verlier den Glauben nicht, nur weil Gott nicht mit Dir spricht…“), ansonsten ein lässiger Rock-Song mit einem beinahe Schunkel-Chorus. Mit „Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf“ endet die Scheibe so wie sie begonnen hat, mit viel Pathos behaftet blicken die Onkelz auf ihre Geschichte zurück, atmosphärisch ähnlich wie „Ihr hättet es wissen müssen“ (von „Adios“) werden große Emotionen heraufbeschworen, und wenn man es nicht besser wüsste, könnte der Song abermals das Ende der Band einläuten („…Freunde und Begleiter, feiert weiter…“,“…und wenn es die Onkelz nicht mehr gibt, hört dieses Lied…“).

Nach vierzig Jahren Bandgeschichte ein Album abzuliefern, das sowohl alte wie auch neue Fans zufrieden stellt, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Und meiner Meinung nach haben die Onkelz genau das auch gar nicht erst versucht, vielmehr ist „Böhse Onkelz“ eine verdammt geile Langrille geworden, die seinen Vorgänger „Memento“ um Längen übertrifft und einerseits die Band typischen Trademarks und Gassenhauer besitzt, für die man als Fan die Band schätzt, aber andererseits der Entwicklung der Band gerecht wird. Vielleicht mag mancher Onkelz Fan dem Sound der Anfangszeit hinterhertrauern, meine Erwartungen hat sie auf jeden Fall übertroffen.

Von mir gibt es 9,5 von 10 Hellfire-Punkten

Trackliste:

  1. Prolog
  2. Kuchen und Bier
  3. Des Bruders Hüter
  4. Ein Hoch auf die Toten
  5. Prawda
  6. Saufen ist wie Weinen
  7. Wie aus der Sage
  8. Du hasst mich! Ich mag das!
  9. Rennt!
  10. Wer schön sein will muss lachen
  11. Der Hund den keiner will
  12. Flügel für Dich
  13. Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf

Line Up:

Kevin Russell: Gesang
Peter „Pe“ Schorowsky: Drums
Stephan Weidner: Bass
Matthias „Gonzo“ Röhr: Gitarre

Mehr Infos:
Homepage
Facebook
Twitter
Instagram
YouTube Channel

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

3 Kommentare

  1. Ich freue mich endlich mal ein Kommentar über die Onkelz zu lesen, ohne daß sofort erst einmal in die alte Nazi kerbe gestoßen wird.
    Das neue Album ist einfach spitze geworden, es ist selten bei mir das ich Musik Album höre und mir sofort alle Titel gefallen. Ein Stephan der textlich in Höchstform agiert, ein Pe der sanft und hart sein Schlagzeug wie kein zweiter beherrscht, ein Gitarrengott wie Gonzo, den man seine Liebe zur Musik seit 40 Jahren nun anhören kann und eine unübertroffen, „abartig, Geile“ Stimme von einen Kevin Richard Russell, der geilste Kevin aller Zeiten, das ist eine Mischung die einfach nicht zu toppen ist… Hut ab junz ihr seid die geilsten!

    P. S toller Kommentar von dir zum Album und euch allen viel Spaß beim rocken.

    MfG der Hund den keiner will 😉

    • Klaus Saalfeld

      Hallo Chris, freut mich dass Dich die neue Onkelz Scheibe genauso begeistert wie mich. Und Danke für die Blumen 🙂

  2. Bitte schön.
    Du hast dir auch verdammt viel Zeit und Mühe gemacht und das sollte man auch lobend erwähnen.
    Mach so weiter, man merkt das du dir auch Gedanken über die Band machst, die du kommentiert.
    Ich habe mir viele Kritiken vom neuen Album über YouTube angesehen und Artikel gelesen und war ehrlich gesagt geschockt was sich so mancher „Kenner“ raus nimmt. Da war einer der das Lied Prawda mit den Irren aus Hanau, der 10 Menschen und sich selbst tötete verglichen hat. Das grenzt an Rufmord und ist unsagbar bösartig. Wer die Band nicht leiden kann, sollte auch nicht so vermässen sein sich ein unobjektives Urteil zu bilden und damit deren Fans zu verärgern. Ich bin gegen Hate-mails und für Meinungsfreiheit aber wenn man behauptet das Gesellschaftskritische Lieder zum Massenmord und Gewalt aufrufen sollen, dann sollte sich der junge Mann mehr mit dieser Band beschäftigen. Wie gesagt, ich freue mich als großer Fan von den Onkelz, Kommentare wie sie von dir zu lesen, da man eben auch merkt das du dich damit beschäftigt hast um auch wirklich dir ein Objektives Urteil zu bilden.

    Mach weiter so und viel Erfolg
    ?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.