Alle Jahre wieder…. ist es soweit, dass Hellfire-Team scheut keine Mühen, euch die Adventszeit mit einem „Special“ zu verkürzen. Auch in diesem Jahr geht es wieder um längst vergessene Alben, allerdings nicht um die heimlichen Lieblinge der Redakteure, sondern um jene, die sich trotz aller Vorfreude letztlich als sprichwörtlicher Griff ins Klo entpuppt haben und die man am liebsten aus seinem Gedächtnis streichen möchte. Viel Spaß damit…
Geschrieben von: Mathias Keiber
Band: Iron Maiden
Album: Dance Of Death
Genre: Heavy Metal
Plattenfirma: EMI
Veröffentlichung: 08.09.2003
Wir schreiben das Jahr 2003. Die Band, die gute 10 Jahre zuvor mein Interesse an Musik im Allgemeinen ins Leben gerufen hat, und bis heute eine meiner Lieblingsbands ist, ist seit vier Jahren wieder mit dem Sänger vereint, den ich zuvor vermisst hatte, als wäre es die größte Ungerechtigkeit meines Teenager-Lebens. Die Rede ist von Bruce Dickinson und Iron Maiden, die 2003 das Album „Dance of Death“ veröffentlichen. Ich lasse damals nichts unversucht, mir diesen in vielerlei Hinsicht enttäuschenden Nachfolger zu „Brave New World“ schön zu hören. Ich scheitere.
21 Jahre später bin ich mir meines Urteils sicher: „Dance of Death“ ist das enttäuschendste Album von Iron Maiden. Ja, „No Prayer for the Dying“ wäre auch ein Kandidat – und „Virtual XI“ ein noch offensichtlicherer. Bei ersterem weiß ich beim Kauf aber bereits, dass das Album nicht gerade als Karrierehöhepunkt gilt. Dementsprechend gering meine ist meine Erwartungshaltung. Ähnlich verhält es sich bei „Virtual XI“, ich erwarte wenig, aber anders ist es bei „Dance of Death“. Nach „Brave New World“ will ich ein weiteres Album dieser Güteklasse, erhoffe mir vielleicht sogar eine Steigerung. Doch leider kommt „Dance of Death“ über weite Strecken doch arg defizitär daher.
Mit „Wildest Dreams“ eröffnet ein Stück das Album, das die Band in den Achtzigern wohl tief in der zweiten Albumhälfte versteckt hätten – wie „Gangland“ oder „Quest for Fire“. Anders als diese zwei Stinker ist „Wildest Dreams“ aber keineswegs der schlechteste Song auf „Dance of Death“. Er ist einfach nicht besonders gut und für einen Opener daher enttäuschend. Deutlich besser ist der zweite Song: „Rainmaker“ läuft wie am Schnürchen, geht sofort ins Ohr und nie wieder raus. Auch erfreulich: Dickinson presst hier kein bisschen, sondern singt die Nummer souverän ins Ziel. Mit „No More Lies“ folgt der erste von drei episch angelegten Songs und davon ist die Nummer die am leichtesten verdauliche. Vielleicht auch, weil einem doch so manches bekannt vorkommt: Als geistiger Vater darf „The Clansman“ gelten. Es ist nicht der einzige alte Bekannte, der uns im Laufe von „Dance of Death“ begegnet. Der nächste folgt umgehend.
Den Anfang von „Montsegur“ kennt man aus der Mitte von „Losfer Words“, ansonsten zeigen sich Iron Maiden hier aber von einer Seite, die man noch nicht kannte, die zumindest ich aber auch nie kennen wollte. Die Rhythmik während der Strophe wirkt holprig, gestelzt. Songdienlich ist das nicht gerade, was McBrain da spielt. Wer denkt, der Befreiungsschlag erfolgt im hastig einsetzenden Refrain, sieht sich eines schlechteren belehrt: Viermal hintereinander drückt uns Dickinson ein und dieselbe Textzeile ins Ohr, eine unangenehm penetrante Textzeile obendrein. Eigentlich braucht nicht nur Dickinson an dieser Stelle eine Verschnaufpause, sondern der ganze Song. Doch der geht vom fürchterlichen Refrain direkt in einen ellenlangen Postchorus über, in dessen zweiter Hälfte man Dickinson dabei zuhören muss, wie er erfolglos versucht, für ihn schlicht nicht mehr erreichbare Töne treffen. Kurzum: „Montsegur“ ist ein einziger Krampf.
Der Titelsong hingegen baut sich behaglich auf und macht damit einige Minuten lang Spaß. Im Finale überschlägt er sich vor lauter Tempoerhöhung aber geradezu. Die Band gibt plötzlich so viel Gas, dass Dickinson mit seinen Gesangssilben kaum noch hinterherkommt. Warum tut man einem Song sowas an? Und warum dazu noch diese billigen synthetischen Streichersätze? So macht man den Höhepunkt eines eigentlich guten Songs zum Tiefpunkt – und den Song damit kaputt.
Nichts kaputt zu machen, gibt’s in den folgenden zwei Nummern – reinstes Füllmaterial und selbst als solches bemerkenswert schlecht. In „Gates of Tomorrow“ grüßt „The X Factor“ gleich zweimal: Das Intro ist eine Art Rendering des beknackten Intros von „Lord oft he Flies“, die Instrumentierung des Refrains ist von jener des Refrains von „Judgement of Heaven“ kaum zu unterscheiden. Man fragt sich, warum die Band nicht einfach gute Passagen der Blaze-Ära wiederverwendet. Noch weniger erklärlich ist die geradezu schlafliedartige Strophe des Songs – Prädikat: peinlich.
„New Frontier“ ist eher unterentwickelt als peinlich, aber wie sein Vorgänger völlig verzichtbar. Es bringt nichts Hörenswertes zu Gehör. Ich sag’s mal so: Im Fußball könnte man für wiederholtes Zeitschinden gelb-rot sehen. Mein Tipp daher: Nach dem Titelsong einfach zweimal die Skiptaste drücken, dann landet man direkt beim epischen „Paschendale“, dem emotionalen Höhepunkt des Albums. Zwar spielen auch hier wieder diese synthetischen Billigstreicher mit, aber der Song ist stark genug, das wegzustecken.
In den Achtzigern wäre das Album nach „Paschendale“ einfach durch gewesen. Im neuen Jahrtausend gelten bei Maiden aber neue Regeln: Quantität ist König, 70 Minuten sind Pflicht – und dafür fehlen noch gut 20. Also gibt’s noch drei Songs Minuten obendrauf. „Face in the Sand“ und „Age of Innocence“ haben ihre Momente, durchweg überzeugen kann keiner der beiden – und nach einer Nummer wie „Paschendale“, die erst einmal verdaut werden will, wirken sie ermüdend und damit überflüssig. Viel besser hätte sich als nächster (und letzter) Song das nachdenkliche „Journeyman“ angeboten, der ruhigste Song, den Maiden je aufgenommen haben – und auf „Dance of Death“ neben „Rainmaker“ und „Paschendale“ auch der einzige weitere, den ich als Fan brauche.
Fazit: „Dance of Death“ ist ein Album mit sehr viel Spielzeit – und sehr wenig Substanz. Manche Songs sind schlicht schwach, andere sind besser, fallen aber mit aber mit recyceltem Material, nicht zündenden Ideen oder unnötigem Zeitspiel negativ auf. Und selbst bei den drei Highlights handelt es sich nur um Highlights eines schwachen Albums, nicht etwa um Karriere-Highlights. 4 von 10 Hellfire-Punkten ist keiner zu wenig.
Tracklist:
1. Wildest Dreams
2. Rainmaker
3. No More Lies
4. Montsegur
5. Dance Of Death
6. Gates Of Tomorrow
7. New Frontier
8. Paschendale
9. Face in The Sand
10. Age Of Innocence
11. Journeyman
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