Der W – V

(C) Der W

Geschrieben von: Klaus Saalfeld
Band: Der W
Album: V
Genre: Rock
Plattenfirma: W-Entertainment GmbH
Veröffentlichung: 27.05.2022

Während die Böhsen Onkelz kurz davorstehen, mit zweijähriger Verspätung endlich ihre 40-Jahre Jubiläumsshows bestreiten zu können, hat Bandkopf und Sprachrohr Stephan Weidner alias DER W die pandemiebedingte Auszeit genutzt und ein neues, schlicht „V“ betiteltes Album einzuspielen. Die ältesten Ideen, die auf „V“ gelandet sind, stammen von 2019, ab dann wuchs alles und alles zusammen. Vor allem Gitarrist Dirk Czuya veredelte Weidners Ideen. In gemeinsamen Sessions entwickelten beide in Weidners Studio auf Ibiza das Album. „Es liegen Welten zwischen den ersten Demos und dem, wie alles nach den ›Czuya-Sessions‹ klingt“, schwärmt Weidner von dem Gitarristen, der schon seit der ausverkauften Tour zum goldveredelten Debüt „Schneller, höher, Weidner“ Teil von DER W ist. „Dirk bringt unsere Songs auf ein anderes Level“. Michael Mainx, der seit mehr als 25 Jahren im Studio an Weidners Seite ist, begleitete die Entstehung von „V“ nahezu von Beginn an bei den Recordings und später im Mix. Also alles wie gehabt im Hause des W. Einzige Ausnahme ist die Abstinenz vom bisherigen Stamm-Drummer JC Dawyer, der aufgrund der Corona bedingten Reiserestriktionen nicht an der neuen Scheibe mitwirken konnte und durch Petter Zettl vertreten wird.

Stilistische Veränderungen oder gar Experimente bleiben auf „V“ aus, stattdessen wird – im positiven Sinn – gewohnt gutklassige Rock-Kost aufgetischt, wobei diese im Opener „Das Lied vom Blut“ eher modern ausfällt. Das Stück wandelt zwischen lässigem Groove und treibender Dynamik, und spätestens ab dem Instrumental Part in der zweiten Hälfte ist amtliches Headbangen angesagt. „Der Berg bewegt sich nicht“ ist nichts anderes als pure Rock-Glückseligkeit, die Nummer geht sofort ins Ohr und der Text ist typisch Weidner („Vor dem Glück kommt der Schweiß, in den Stürmen die Gelassenheit“).

Oberflächlich betrachtet könnte man „Für Dich“ in eine Schublade mit dem Onkelz Klassiker „Nur die besten sterben jung“ packen. Auch hier geht es um das Thema Abschied („Keiner geht für immer, nur manche gehen voran“), mit dem Unterschied das „Für Dich“ trotz allem ein gewisses positives Feeling verströmt. Musikalisch betrachtet ein „einfacher“ Uptempo Rocker mit Klasse Hookline, nicht mehr und nicht weniger. „Alles wieder anders“ erinnert ein wenig an „Mein bester Feind“ vom Debüt, dagegen schleichen sich bei „Kosmogenesis“ leichte Psychedelic/Stoner Rock Gitarren ein, und obwohl der Song ordentlich rockt, ist im hinteren Part sogar Platz für ein paar akustische Klänge.

Schon beim Titel „Meditation mit Kippe und Bier“ schreit alles in mir „Onkelz“, und tatsächlich hätte sich der flotte Track wohl problemlos in das letzte Werk der Frankfurter Legende eingefügt. Inhaltlich gibt es gewohnt deutliche Worte („Selbstbesinnung mit Getränken, selbst mein Schwanz fängt an zu denken“; „Ich will handeln, wenn Faule träumen, Schweigen wenn Narren reden“) des Maestros, der sich selbst zum positiven Handeln/Denken animiert.

Wer es lieber nachdenklicher mag, dürfte mit dem melancholischen „Haus aus Spiegeln“ auf seine Kosten kommen. Weidner sinniert über eine gescheiterte Beziehung („behalte deine Liebe und schließ hinter mir ab…“), während der Track selbst sehr langsam und zurückhaltend das ganze untermalt. Auch wenn es Dirk Czuya vermutlich nicht gerne hören wird, für mich hat das Solo ein gewisses Gonzo Flair. Das genaue Gegenteil davon ist „Ein Strick, ihr Genick“, der hart und fast schon aggressiv daherkommt. Lyrisch könnte man die Nummer als eine Art Fortsetzung von „Angst“ (vom Debüt) betrachten, wobei hier der Fokus noch stärker auf die Überwindung seiner Ängste liegt („Lass die Wut los, die Wut ist stärker als die Angst“). Auf musikalische Ebene wirkt der Song beim ersten Hören etwas sperrig, gefällt aber nach jedem Durchlauf umso mehr.

„Kann weg!“ punktet mit großer Dynamik und leichter Punk Attitüde; „Guten Morgen Mitternacht“ versprüht einen durch und durch positiven Vibe („Der Mond scheint durch das Fenster, hier bin ich wieder“) und toller Hookline. „Das letzte Boot über den Acheron“ kommt schwerfällig und schleppend daher, zudem schleicht sich abermals eine leicht psychedelische Note ein und trotz einer nicht zu leugnenden Düsternis setzt sich der Refrain sofort in den Gehörgängen fest. Zum guten Schluss gibt es mit „Briefe an mich selbst“ nochmal schwermütige, balladeske Töne, die das Album gemächlich ausklingen lassen.

War der Vorgänger „IV“ teilweise nur schwer zu packen, trifft dies für den überwiegenden Teil von „V“ nicht zu. Lediglich mit den beiden Balladen „Haus aus Spiegeln“ und „Briefe an mich selbst“ kann ich mich auch nach etlichen Durchläufen nur schwerlich anfreunden, wobei die beiden Tracks keinesfalls schlecht sind. Die übrigen zehn Songs sind für mich in ihrer Gesamtheit das beste seit „Autonomie“.

Von mir gibt es 8 von 10 Hellfire-Punkten.


Trackliste:

  1. Das Lied vom Blut
  2. Der Berg bewegt sich nicht
  3. Für Dich
  4. Alles wieder anders
  5. Kosmogenesis
  6. Meditation mit Kippe und Bier
  7. Haus aus Spiegeln
  8. Ein Strick, ihr Genick
  9. Kann weg!
  10. Guten Morgen Mitternacht
  11. Das letzte Boot über den Acheron
  12. Briefe an mich selbst

Line Up:

Stephan Weidner: Gesang
Peter Zettl: Drums
Dirk Czuya: Gitarre, Bass


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