Geschrieben von Katja Maeting
Band: Don’t Call It Dad
Album: Flowers
Genre: Melodic Hardcore/Metalcore
Plattenfirma: Dedication Records
Veröffentlichung: 15. Februar 2019
Es gibt diese Bands, die einfach makellos klingen. Schön auf Hochglanz poliert und mit elektronischem Botox aufgepumpt, bis kein individuelles Fältchen mehr für Charakter im musikalischen Gesicht sorgt. Diese setzen dann ungefähr so viele Duftspuren wie eine hochgezüchtete Treibhaus-Rose – nämlich keine. Und dann gibt es Wildblumen wie Don’t Call It Dad, wo vielleicht nicht jedes Blütenblatt in Perfektion arrangiert ist, die aber dafür lebendig wirken und eine musikalische Duftspur mit Wiedererkennungswert besitzen.
Allerdings hat dieses Band-Pflänzchen aus Bielefeld lange vor sich hin vegetiert, bevor dann 2017 erste Demo-Blüten sprossen, die sich im Februar diesen Jahres zu einem schönen Album-Strauß erweiterten. Obwohl sie sich im Bereich des Melodic Hardcore und Metalcore bewegen, schaffen es Don’t Call It Dad erstaunlich gut, ruhige Momente und viel Emotion in ihren Songs zu transportieren. Dies liegt vor allem an der Kombination aus entzerrter, musikalischer Ausgestaltung, die sehr organisch wirkt und Vocals, die zwischen Klargesang, intensiven Shouts und Spoken Words hin und her tanzen.
Der Opener und schon lange bekannte erste Album-Appetizer „At Sea“ zeigt die Jungs aus Bielefeld direkt von der härteren Seite, gepaart mit dem Hang zur Integration von abwechslungsreichen Ideen. Über die unpolierte, melodisch-harte Gitarrenmelodie legen sich heisere Shouts, die eine fette Portion Emotionen mitbringen. Die wechselnde Dynamik des Tracks hält sich zwar überwiegend im druckvoll-harten Bereich, schiebt aber ebenso problemlos mittig einen minimalistisch ausgestalteten hochmelodischen Zwischenstopp inklusive gesprochener Vocal-Parts ein wie ein anschließendes Rhythmus-Stakkato, welches den Hörer in eine Punk-inspirierte Passage hochschraubt und dann in einer langgezogenen Beatdown-Phase wieder nach unten drückt. Eine sehr interessante Mischung, die hart an der Grenze zum Zuviel balanciert, aber das Gleichgewicht nicht verliert.
Der Titeltrack lässt es hingegen sehr ruhig angehen. Eine verträumte, leichte Melodie gleitet unter dem gesprochenen Intro her bevor der Track soundmäßig aufbricht und eine getragene Wucht entfaltet, die mit harten Riff-Kanten voranschreitet, bevor der Song über Gebühr beschleunigt und musikalisch auseinanderbricht. Hier schraubt sich insbesondere das teils experimentell anmutende Drumming in den Vordergrund und bewegt sich entgegengesetzt zur Melodielinie, was einen progressiven, aber auch anstrengenden Effekt beim Hören hat. Mir zumindest wird die musikalische Fahrt da doch etwas zu viel. Highlight hingegen ist definitiv das anschließende „Fade“ bei dem sich Joschka Brings von DRIFTWOOD die Ehre gibt. Auch hier gönnt sich die Gitarre eine Melodielinie mit rauen Kanten, die sich stabilisierend unter die Vocals legt und auch die Breakdown-Parts des Songs gekonnt in ihren natürlichen Fluss integrieren kann. Die in den Strophen dominierenden Shouts werden im Refrain zu roughen Cleans, die Verzweiflung und Wut transportieren. Alles in Perfektion um den roten Faden der instrumentalen Melodielinie arrangiert.
„Etre“ hingegen verbreitet mehr Post-Hardcore-Charme und lässt mich zu Beginn stellenweise an die Labelkollegen Sleeping God denken. Eine entspannt startende Nummer mit Spoken Words, die sich im weiteren Verlauf breiter und stabiler aufstellt, ohne groß das Gaspedal zu treten. Hier stehen eindeutig die Vocals im Vordergrund, stabil und zuverlässig instrumental hinterlegt. Den Abschluss des Albums bildet dann der Gastauftritt von écru-Sänger Andi bei „Sink“, mit der sich Don’t Call It Dad so aus ihrem Debüt verabschieden wie sie eingestiegen sind. Einer der am härtesten angelegten Songs, der deutlich den Hardcore in der Genre-Zuordnung belegt. Nach kurzem Aufbau des Spannungsbogens preschen die Drums voran und die Gitarre zeichnet die Rhythmus-Struktur auf ihre Art nach, bevor sie in einem melodischen Solo-Ausflug mal kurz das Rampenlicht bekommt und den Weg bereitet für eine Passage die von kraftvollen Clean Vocals getragen wird und so die Zweiteilung durch den Kontrast zu den bis hierher im Song vorherrschenden Shouts noch mehr hervorhebt.
Don’t Call It Dad legen hier ein interessantes Debüt vor, dass ihren musikalischen Claim absteckt und ihre vielseitige musikalische Interessiertheit abbildet. In sich stimmige Songs, die stellenweise vielleicht auch mit einer Wendung bzw. Idee weniger sehr gut auskämen, aber trotzdem gefallen. Wer musikalisch im Core lieber natürlich gewachsene Songs als auf genetische Perfektion getrimmte Ware mag, liegt hier richtig. „Flowers“ ist das mit viel Liebe gepflückte Sträußchen Gänseblümchen, dass jeden gekauften Strauß mit Persönlichkeit überstrahlt.
Von mir gibt es 8 von 10 Hellfire-Punkten
Trackliste:
01. At Sea
02. Commonwealth
03. Grey
04. Changing Seasons
05. Flowers
06. Fade feat. Joschka Brings
07. Etre
08. Silence
09. Sink feat. Andreas Blessmann
Line-up:
Levin – Vocals
Yanic – Lead Guitar
Lukas – Rhythm Guitar
Tim – Bass
Louis – Drums
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