Doro hat das Corona Jahr nicht untätig an sich vorbeilaufen lassen und zum 35-jährigen Jubiläum der „Triumph And Agony“ eine Live Version vorbereitet, die in allen möglichen Ausführungen am 24. September veröffentlicht werden wird.
Um 17 Uhr war ein Telefon Interview angesetzt und Doro meldete sich pünktlich bei mir, so dass ein fast einstündiges Interview geführt werden konnte, just bevor wegen des Unwetters Internet und Telefon zusammenbrach.
HF: Hallo Doro, die Frage, wie es Dir geht, kann man sich bis auf die Gesundheitlichen Aspekte ja eigentlich schenken. Ihr Musiker habt unter Corona ja schließlich wie kaum eine andere Berufsgruppe extrem gelitten.
Doro: ja, wir sind aber noch mit einem blauen Auge bisher davongekommen. Aber ich weiß von Musikern, die sich aus Verzweiflung das Leben genommen haben.
Ich habe ja in der schwierigen Zeit die „Magic Diamonds“ rausgebracht und konnte mich hier und da nützlich machen. Ich war also ganz gut beschäftigt; aber nicht mehr Touren zu können ist schon richtig hart. Und schlimm für mich, dass ich meine Musiker auch lange nicht sehen konnte. Ich habe ja die Green Card und war einige Male in Amerika; aber generell ist es aus dem Schengenraum nicht möglich, nach Amerika zu reisen. Und die Amis dürfen nicht nach Europa.
HF: Ich habe meinen Augen und Ohren nicht getraut als ich las, dass die Veröffentlichung von Triumph and Agony bereits 35 Jahre zurückliegt. Ist das für Dich auch etwas skurril und verstörend, wie die Zeit vergangen ist?
Doro: Ja, das Leben geht echt so schnell vorbei… Ich weiß noch, als ich damals ankam in New York und wir anfingen, an dem Album zu arbeiten… Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das gerade mal ein paar Jahre her ist.
Ich habe damals meinem Manager gesagt, dass ich plane Musik zu machen, bis ich 25 bin. Das war alle so stressig, dass ich geglaubt habe, ich überleb‘ das nicht länger.
Der war Psychologe und meinte nur: ‚das werden wir ändern! Ich bin 57 und sage Dir, das geht!‘
Dann habe ich in New York einen Coach bekommen. Eine Frau mit dem Namen Bruce Reynolds; die war der totale Schleifer. Sie hat damals auch mit Leuten wie Raquel Welch gearbeitet.
Und dann ging es los: jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen, um sechs Uhr ins Gym…
Danach wurde ich den ganzen Tag getriezt. Ich durfte nicht mehr essen, was ich gewohnt war, nur noch Salate…
Rauchen musste ich aufgeben. Ich wurde dann gecheckt, ob ich auch alles für die Musik machen wollte. Aber mit dem Rauchen aufhören? Nee. Ich habe seit Teenagerzeiten echt gerne geraucht. Aber: keine Chance, Schluss mit Rauchen!
Das war alles so heftig. Jeden Tag bin ich abends nach Hause gekommen und hab immer wieder gedacht: ‚Das hältst Du nicht durch.‘
Ich war völlig aufgelöst, habe viel geweint, und mein Mitbewohner hat mir ständig zureden müssen, dass ich das schaffe.
Nachts gings dann ins Studio…
Deshalb heißt das Album auch „Triumph And Agony“. Auf der einen Seite die größten Highlights und auf der anderen Seite die totale Qual.
Wenn ich so darüber nachdenke, kommt es mir auch echt vor, als wenn das erst ein paar Jahre her ist….
Ich habe natürlich in Vorbereitung auf die Veröffentlichungen jede Menge VHS Kassetten digitalisieren lassen und durchgesehen. Da waren auch jede Menge Bootlegs dabei von der Triumph And Agony Tour. Das kann man dann auch in der Doku sehen, die mit dem Album veröffentlicht wird. Unter anderem Ausschnitte von unserem Support für Megadeth…
Es war echt schön, sich das alles noch einmal anschauen zu können und in Erinnerung zu schwelgen. Dass das so lange her ist, kann ich irgendwie gar nicht fassen; kam mir echt vor wie gestern….
HF: Das Album ist damals ja sofort ziemlich eingeschlagen. Ich denke, als Künstler erwartet man mit jeder neuen Veröffentlichung eine Menge von seinem Werk. Wie war das damals, als Ihr dann gesehen habt, wie die Fans darauf reagiert haben. Habt Ihr damit gerechnet, dass das Ding derart steil gegangen ist?
Doro: Nee, nee, gar nicht. Wir haben zwar das Gefühl gehabt, dass jede Menge Power drin ist und dass die Scheibe es echt in sich hat. Die Platte war auch schwer zu machen, das war nicht einfach. Wir haben „Triumph And Agony“ auch nicht so aus dem Ärmel geschüttelt. Zum Beispiel wurde „Für Immer“ sechsmal abgemischt, bis wir die endgültige Version hatten. Aufgenommen und die ersten Mixes haben wir in New York gemacht und dann noch mal in Philadelphia abgemischt.
Dann haben wir die fertige Platte abgeliefert und die Plattenfirma meinte: ‚Die Platte ist super, wir stehen voll dahinter und supporten Euch, nur ein Song muss natürlich runter.‘ Und ich habe noch gedacht, welcher Song soll das sein. Welcher Song fällt qualitativ so im Vergleich zu den anderen ab, dass er nicht aufs Album passt… Und die Antwort war, dass der deutsche Song ja gar nicht ginge und unbedingt runter müsse. Es ging also um „Für Immer“. Ich habe dann um den Song gekämpft und wir haben uns schlussendlich darauf geeinigt, dass er als letzter Song auf die B Seite der Platte kommt.
Und danach sind wir auf Tour gegangen und die Fans haben sich überall „Für Immer“ als ihren Lieblingssong ausgeguckt. Das war an jedem Abend der Highlight Song. Das war total geil. Und dann kam „Für Immer“ überall als Single raus. Singles waren ja für eine Metal Band damals nicht relevant, aber „Für Immer“ hat die große Ausnahme gemacht.
Damals gabs ja auch noch „Headbangers Ball“, die Metal Sendung auf MTV und ich habe abends in New York gesessen und die Sendung geschaut, und dann zeigten sie Gene Simmons und Paul Stanley die total begeistert waren. Ich als großer Kiss Fan bin fast vor Freude tot umgefallen… So geil!!
Allerdings gab es vorher bei der Produktion jede Menge Schweiß und Tränen…. Aber es hat sich gelohnt.
HF: Mit so Songs wie „Metal Tango“ oder „Für immer“ hast Du damals Sachen gemacht, die nicht gerade üblich waren… Du hast da in gewisser Weise eine Vorreiterrolle übernommen, für alle „ungewöhnlichen“ Entwicklungen beim Metal. Damals relativ unorthodox. Über die Jahre und Jahrzehnte haben viele Musiker dann ähnliche Experimente gemacht, sei es in anderen Sprachen zu singen als englisch, unterschiedliche Stile zu mixen usw… Wie sind diese Experimente gewachsen du bist Du Dir damals dieser „Vorreiterrolle“ bewusst gewesen?
Doro: Hm, eigentlich hat sich das verselbstständigt. Einen Song wie „Für Immer“ zu machen war ja nicht geplant. Da war halt eine gewisse Magie im Studio, die dazu geführt hat, dass wir den Song so aufgenommen haben. Bei „Metal Tango“ war es ähnlich: das war etwas Außergewöhnliches.
Beides wäre wahrscheinlich gar nicht entstanden, wenn ich in Deutschland geblieben wäre. In Amerika sind die Leute total offen für so verrückte Sachen.
In Deutschland hätten wir die Ideen gar nicht weitergesponnen und hätten das gar nicht aufgenommen. Aber in Amerika: je verrückter, desto besser. Witzig war bei „Für Immer“, dass mich die Leute im Studio gefragt haben, ob ich denn genau wüsste, was ich das singe. Denn von denen hat niemand Deutsch gesprochen und somit auch gar nicht verstanden, um was es in dem Song ging. Die haben damals totales Vertrauen in mich gesetzt.
Der Engineer hatte auch einen total schweren Job, weil er aus verschiedenen Takes alles zusammengeschnitten hat. Ich musste ihm dann anschließend erklären, dass dies und das nicht ging, weil z.B. Buchstaben abgeschnitten waren, die bei jedem deutsch Sprechenden negativ aufgefallen wäre. Betonungen und so weiter sind hier ja extrem wichtig, was im Englischen vielleicht verschluckt wird. Und das musste ich ihm dann genau erklären: Zum Beispiel das „T“…
Im Englischen verschluckt man bei Night am ende das „T“. Im Deutschen muss das aber hart betont werden, wie bei Nacht, Kraft usw
Na, und dann wollte ich auch noch einen spanischen Satz drin haben, sprach aber selber kein Spanisch. Auch niemand im Studio…
Und dann haben wir uns quasi auf der Straße jemanden gesucht, der so aussah, als wenn er spanisch sprechen könnte. Ich habe dann mit Händen und Füßen mit ihm gesprochen: ich kein Spanisch, er weder Deutsch noch Englisch. Schließlich hat er mir dann etwas aufgeschrieben, was ich genommen habe und erst später wusste, was es wirklich bedeutet. Aber es hat sich so alles zusammengefügt und zu dem Song gemacht, was er schlussendlich war. Es war ein großes Puzzle und schließlich konnte man das Bild sehen.
Dann kam noch das Cover dazu, was total super dazu passte. Man hat so etwas vielleicht nur einmal im Leben, dass alles so zueinander passt und sich ineinanderfügt. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
HF: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, „Triumph And Agony“ als Livealbum als Jubiläumsgeschenk an die Fans zu veröffentlichen? Da muss ja ein geeigneter Rahmen stimmen.
Ihr habt beim Sweden Rock Festival aufgenommen. Habt Ihr Euch diese Lokation und das Festival bewusst für die Aufnahmen ausgesucht?
Doro: Na ja, ich habe letztes Jahr irgendwie permanent in den Startlöchern gesessen, um wieder auf Tour zu gehen. Nachdem „Magic Diamonds“ fertig war, habe ich dann alte Videos geschaut und unsere Konzerte angesehen. Wir hatten dafür die alten Songs rausgekramt und geprobt und dann auch Stücke live gespielt, die wir bis dahin nie gespielt hatten.
Das Konzert beim Sweden Rock war in Kombination Bild- und Tonqualität das Beste, so dass wir uns entschieden haben, dies dann als Video zu veröffentlichen.
Wir haben auch andere Festivals gespielt, wie das Graspop, dann in Spanien, Amerika…. Aber das Sweden Rock war einfach das Beste. Das Publikum ist geil mitgegangen; da passte alles am besten zusammen. Beim Sweden Rock haben die auch immer ne tolle Technik. Gotts sei Dank haben wir da alle Spuren einzeln aufgenommen. Beim Graspop gab es leider nur eine Tonspur, was dann nicht so toll war. In Spanien haben wir auch mit mehreren Spuren aufgenommen, aber das war kein Festival, nur eine Clubtour und das klang alles komplett anders…
So haben wir uns im Endeffekt für das Video für das Sweden Rock entschieden. Das war von der Stimmung auch das beste und war total homogen.
Die Platte ist aus unterschiedlichen Konzerten Spanien, Sweden Rock etc zusammengeschnitten worden.
Ich bin mit meiner Band ja nun auch schon 30 Jahre zusammen; fürs Sweden Rock habe ich dann Tommy (Bolan, g JS) angerufen, ob er dabei sein wolle, bei der Jubiläumstout für „Triumph And Agony“ und Tommy hat geantwortet: ‚ich hab dreißig Jahre auf diesen Anruf gewartet.‘ Das startete damals mit einer Amerika Tour, allerdings haben wir da nichts aufgenommen; wir haben gar nicht daran gedacht…
HF: Gabs auch die Überlegung, die anderen Jungs von damals als Gäste mit dazu zu holen?
Doro: Es war ja gar nicht geplant, dass da mal irgendetwas veröffentlicht werden soll. Wir wollten nur die Platte zusammen spielen.
Na ja, und meiner Band gegenüber bin ich sehr loyal und wollte da auch außer Tommy nicht noch weitere Musiker mit reinbringen.
Meine Jungs sind seit Anfang der Neunziger mit mir zusammen und spielen natürlich auch die Songs alle in und auswendig.
Bei Tommy war das etwas anderes. Ich habe gedacht, ich ruf ihn einfach mal an und frage was er so macht…. Und dann haben wir halt mit drei Gitarristen gespielt…
Im letzten Jahr, wo man ja nicht live spielen konnte, hat mich die Live Atmosphäre der „Triumph And Agony“ irgendwie über Wasser gehalten.
Für die Liebhaber und die Die Hard Sammler gibt’s eine Box mit einer Warlock Figur, die mich im Arm hat, das größte Plattencover der Welt als Aufsteller, 1,75 Meter groß… na und dann natürlich CDs, Vinyl, Tapes, und eine Blu-ray……
Interview: Jörg Schnebele
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