Geschrieben von Oliver Heberling // Fotos by gräffix by Marco G.
Schlachthof Wiesbaden // 17.10.2019. Es ist schon bewundernswert welchen Kultstatus eine Band genießen kann. Obwohl sie seit 1990 kein Album mehr veröffentlicht haben, verkaufen THE SISTERS OF MERCY immer noch die mittelgroßen Hallen aus. So auch den Schlachthof in Wiesbaden am vergangenen Donnerstagabend. Als einer DER Wegbereiter des Gothic Rock scheinen die Touren der Briten immer noch wie ein Klassentreffen für Nostalgiker. Im schwarzen Meer des Publikums tummeln sich (zumindest nach Durchschnittsalter zu urteilen) vorrangig Fans der ersten Stunde, um ihrem Haudegen Andrew Eldritch und seiner nun doch seit einiger Weile konstanten Musikerformation aus Dylan Smith und Ben Christo sowie Drumcomputer Dr. Avalanche zu huldigen.
Dass das Interesse des Abends gänzlich auf THE SISTERS OF MERCY ausgerichtet ist, bekommt auch die stark aufgelegte Vorband A. A. Williams schmerzlich zu spüren. Ruhig und durchdacht mit Gespür für laute und harte Spitzen post-, folk- und indierockt die Londoner Formation 45 Minuten lang gegen das sich lauthals unterhaltende Publikum an, was den musikalischen Hörgenuss deutlich trübt. Sehr schade, denn die Performance der Newcomer, die zu Jahresbeginn ihre selbstbetitelte Debüt-EP veröffentlichten übertrifft den Mainact des Abends an künstlerischem Wert bei Weitem.
Pünktlich um 21.15 Uhr betreten Eldritch und seine Mitstreiter die vernebelte Bühne, auf der man den Rest des Abends die Musiker zeitweise nur vermuten kann. Umhüllt von Schall aus dem Drumcomputer und Rauch mit Strobolicht-Effekten stellen sich die Dark Wave-Heroen in gekonnten Posen zur Schau. Die elektronischen Beats erwecken nicht selten den Anschein einer Mini-Playback-Show, deren Live-Performance-Elemente besonders dann hervorstechen, wenn schrill und übersteuert mal ein Ton vom bekannten Plattenformat abweicht. Eldritch selbst hat hörbare Schwierigkeiten, sich gegen den Backgroundgesang überhaupt in den Vordergrund rücken zu können.
Der Stimmung tut das jedoch wenig Abbruch. Mit „More“ finden THE SISTERS OF MERCY einen cleveren Einstieg, um die Laune des Publikums von Beginn an hochzutreiben. Auch die genialen „Dominion/Mother Russia“ und „Marian“, die die Mitte der Setlist bilden kommen zeitlos rüber. Die Zugabe aus „Lucretia my reflection“, „Vision Thing“, „Temple of love“ und „This Corrosion“ bringt den Tanzkessel dann nochmal deutlich in Bewegung und sorgt für ausgelassene Jubelarien. Nach 80 Minuten endet dann ein vermutlich für die Meisten zufriedenstellender Abend.
Unterm Strich steht ein unterhaltsames Konzert, bei dem sich die Musiker mit Spielfreude nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen und voll auf ihre zeitlosen Klassiker bauen. THE SISTERS OF MERCY gehören wohl zu den Bands, die man als Szeneneuling „gesehen haben muss“ und mit denen der Rest des Publikums viele gemeinsame Momente teilt. Da rückt die wirkliche Performance hinter der Möglichkeit nochmal sein altes SISTERS-Shirt zur Schau stellen zu können und einen Abend in Erinnerungen zu schwelgen in Vergessenheit. Das unterkühlte Gothic-Image, das die Band versucht weiterhin auf die umnebelte und spiegelbehangene Bühne zu Tragen wirkt dabei eher angestaubt und könnte einen neuen Anstrich in Form eines Comeback-Albums vertragen. Dass dies auch nach Jahrzehnten noch möglich ist, beweisen derzeit ja schon andere Bands.
Setlist The Sisters Of Mercy:
01 – More
02 – Ribbons
03 – Crash and Burn
04 – Doctor Jeep/Detonation Boulevard
05 – No Time to Cry
06 – Alice
07 – Show me
08 – Dominion/Mother Russia
09 – Marian
10 – Better Reptile
11 – First and Last and Always
12 – Kickline
13 – Something fast
14 – I was wrong
15 – Flood II
Encore
16 – Lucretia my reflection
17 – Vision Thing
18 – Temple of Love
19 – This Corrosion
Hier gehts zur Fotogalerie © Photos by Marco G.
The Sisters of Mercy
A. A. Williams
Weitere Infos:
The Sisters of Mercy
A. A. Williams