Geschrieben von Oliver Heberling
Artist: Enforcer
Album: Zenith
Genre: Glam Metal, Classic Rock, Speed Metal
Plattenfirma: Nuclear Blast Records
Veröffentlichung: 26. April 2019
Auch ich war erschrocken, als ich die erste Single-Auskopplung des neuen Streichs von ENFORCER über die Facebook-Seite des Deaf Forever gepushed bekam. “Die for the devil” beginnt als cooler Sleaze-Rocker, der sich dann jedoch in seinem käsigen Refrain verliert. Mittlerweile, nach mehrmaligem Hören, bekomme ich jedoch auch diesen nicht mehr aus dem Kopf, ob ich das will oder nicht. Eins lässt sich jedenfalls festhalten: Mit “Die for the devil” ist über das fünfte Album der schwedischen Speed Metaller längst nicht alles gesagt.
Die letzten vier Jahre seit From Beyond nutzten Olof Wikstrand und seine Bandkollegen für einen drastischen Stilwechsel. Um sich nicht den Selbstkopie-Vorwürfen ausgesetzt zu sehen, denen sich andere Bands erwehren müssen, setzten ENFORCER alles daran, um das nach eigener Aussage “größte Heavy Metal-Album der Geschichte [zu] machen” (Interview im Rock Hard Vol. 384, S. 64f.).
Diese hochgegriffene Aussage erklärt sich darüber, dass Wikstrand der Ansicht ist, dass die Bands, die heute als Szenegrößen gefeiert werden, sich eben nicht in ein Stilkorsett haben zwängen lassen, aus Angst ihr Publikum zu verschrecken. Damit sieht er sich und seine Band in einem Atemzug mit beispielsweise Judas Priest oder Bathory.
Gewagt ist das neue ENFORCER-Album definitiv. Statt ein paar Speed Metal-Tracks vom Reißbrett auf den Markt zu werfen, wird insbesondere dem Glam- und Hardrock gehuldigt. Dabei schießen sie mit der Rockballade “Regrets”, die mich an die Filmsequenz aus “Spring Breakers” erinnert, in der James Franco auf einem weißen Flügel “Everytime” von Britney Spears interpretiert, weit übers Ziel hinaus. Dennoch gilt für ZENITH das Motto: Wer wagt droht zu verlieren, wer nicht wagt gewinnt auch nicht. Zwar findet sich in “Searching for you” oder “Thunder and hell” auch die gewohnte Speed, die Die Hard-Fans an ENFORCER so lieben. Aber der Def Leppard-inspirierte Stilwechsel lässt dafür sonst nicht mehr viel Spielraum. Viele Fans, die der Ansicht sind, ihre Kaufkraft gebe ihnen das Recht auf eine künstlerische Erwartungshaltung an ein Album, werden enttäuscht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Für mich jedoch ist ENFORCER ein Geniestreich gelungen, der zwar krasse Ausreißer nach Unten hat, aber mit “One thousand years of darkness”, “The end of a universe” und “Zenith of the black sun” auch absolute Kracher vorzeigt.
Die genannten Lieder wirken dennoch eher wie eine Bewerbung Wikstrands für einen Avantasia-Gastauftritt, als dass sie Hardcore-Speed-Metaller zum Bangen bringen. Gefallen muss einem das definitiv nicht, aber die Frage die sich jeder Kritiker stellen sollte, ist, ob es besser wäre an gleicher Stelle über den womöglich gescheiterten Versuch Into the night oder Death by fire neu aufzuwärmen zu meckern, als über einen Stilwechsel, der die Grenzen für künftige kreative Ergüsse auslotet zu diskutieren. Die Unberechenbarkeit dessen, was auf ZENITH folgt, lässt hoffen, dass dieser noch nicht erreicht, geschweige denn überschritten wurde.
Von mir gibt es 8,5 von 10 Hellfire-Punkten.
Tracks:
01 – Die for the devil
02 – Zenith of the black sun
03 – Searching for you
04 – Regrets
05 – The end of a universe
06 – Sail on
07 – One thousand years of Darkness
08 – Thunder and Hell
09 – Forever we worship the dark
10 – Ode to death
Line – Up:
Olof Wikstrand – Vocals, Guitars
Jonathan Nordwall – Guitars
Tobias Lindqvist – Bass
Jonas Wikstrand – Drums
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