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© Hämatom
Geschrieben von: Klaus S.
Band: Hämatom
Album: Für Dich
Genre: Metal
Plattenfirma: Anti Alles/Believe
Veröffentlichung: 24.01.2025
Eigentlich wollten HÄMATOM im vergangenen Jahr ausgiebig ihr zwanzigjähriges Bandjubiläum zelebrieren, doch im August 2023 verstarb ihr Freund und Bassist West plötzlich und unerwartet, und alle Feierpläne waren auf einmal hinfällig. Um gegen den Schmerz anzukämpfen, begab man sich schließlich ins Studio und versuchte mit dem Song „Gott muss ein Arschloch sein“ das Unbegreifliche in Musik und Text zu manifestieren und zu verarbeiten. Die gemeinsame musikalische Arbeit half der Band bei der Trauerbewältigung und wurde schließlich zum Startschuss für ein viel größeres Vorhaben: West unvergessen zu machen und ihm ein musikalisches Denkmal zu bauen.
Herausgekommen ist dabei das Album „Für Dich“, welches die besten vierzehn Tracks aus unzähligen Demos enthält. Der flotte und schon beim ersten Hören mitsingbare Opener „Ein‘ auf den Tod – Zwei auf das Leben“ schlägt nicht nur eine Art Brücke zwischen dem Schmerz der Band und einer Jetzt-Erst-Recht Attitüde, sondern enthält auch einige passende Bass-Spuren ihres verstorbenen Freundes, für die HÄMATOM eigens ihre Recording-Archive durchwühlten. „Pogo-Girl“ entstand – wie auch schon „Es regnet Bier“ vom letzten Album – im Rahmen des (zweiten) Metal Fight Club innerhalb von achtundvierzig Stunden. Ob der Song nun tatsächlich zum Pogen anregt, sei mal dahingestellt, aber dessen unwiderstehliche Eingängigkeit ist ebenso nicht abstreitbar wie eine leichte Pop-Note.
Der potentielle Partytrack „Alles wegen Bier“ schwankt irgendwo zwischen Electro-Pop und Rammstein-artiger Marsch-Rhythmik und dürfte mit steigendem Promille Gehalt umso laustarker mitgegrölt werden. „Diego Maradona“ mit seinen treibenden Beats und den Rap Einlagen der 257er erinnert mich von der Machart her ein wenig an Electric Callboy, nur ohne Screams. Mag komisch klingen, funktioniert aber bestens! Das sich mit den Up And Downs des Lebens befassende „Scheisse kommt – Scheisse geht“ verläuft weitestgehend in einem schleppenden Groove, lediglich das unerwartete Gitarren Solo sowie der kraftvolle Chorus sorgen für Temperamentsausbrüche.
„Schmutzig Liebe machen“ wirkt in den Strophen (fast) wie ein stinknormaler Pop Song inklusive künstlicher Trompete – wenn der anzügliche Text nicht wäre, im Refrain hingegen dreht das maskierte Quartett in gewohnter Manier ordentlich auf. „Erzähl es meinem Mittelfinger“ klingt nicht nur wie ein Song von Saltatio Mortis, die Mittelalter Rocker haben bei dieser Nummer auch tatkräftig mitgewirkt und das Ganze zu einem tanzbaren Ohrwurm veredelt. Die knapp zweiminütige Reprise dieses Tracks präsentiert Nords eindringlichen Gesang nur vom Piano begleitet und zeigt die Band von ihrer gefühlvolleren Seite.
Für „Arschlochkind“, das mit von Hass und Vorurteilen verstrahlten Mitmenschen abrechnet, haben sich HÄMATOM den mir unbekannten Rapper Swiss ins Boot geholt, entsprechend pendelt der Track zwischen Rap Einlagen und brachialem Metal, garniert mit einer kurzen „Bella Ciao“ Einlage, die sich überraschend gut in den Song einfügt. Das eindringliche „Für Dich“, in dem die Band nochmal sehr emotional Abschied von ihrem Freund nimmt, gehört ebenso zu den Highlights des Albums wie das nachfolgende „Barbie & Ken“, das sich im typischen Band-Sound mit völlig überzogenem Selbstdarstellungs- und Schönheitswahn auseinandersetzt und mit auf Englisch gehaltenen, teils verzerrten Lyrics im Refrain überrascht.
„Lachend in den Untergang“ besticht neben seiner einnehmenden Hookline mit seinem provokanten Gegensatz aus Party-Laune verbreitenden „Lei Lei Lei“ Gesängen und bitterbös-ironischen Texten zum Thema Selbstzerstörung (…“hier bin ich Mensch, hier bin ich Schwein…“). Mit „Gott muss ein Arschloch sein“ verarbeitet die Band auf ihre provokante Art das Ableben ihres Bassisten, während „Wir sind keine Band – 20 Jahre Version“ die bereits auf dem 2019er Album „Maskenball“ dargebotene Bandhymne mitsamt vielstimmigen Chor neu aufpoliert. Im Gegensatz zur ursprünglichen Version ist dieses Stück weniger brachial als vielmehr getragen-feierlich gehalten und sollte damit bis in alle Ewigkeit als Schlusstrack bei Live-Shows gesetzt sein.
Wer mit HÄMATOM bislang nichts anfangen konnte, der wird vermutlich auch nach dem Genuss von „Für Dich“ seine Meinung nicht ändern. Wer sich aber für gut produzierte, eingängige deutschsprachige Songs mit Mitgröl-Faktor erwärmen kann, der dürfte wie ich bestens unterhalten werden.
Von mir gibt es 9 von 10 Hellfire Punkten.
Tracklist:
- Ein‘ auf den Tod – Zwei auf das Leben
- Pogo-Girl
- Alles wegen Bier
- Diego Maradona (feat. 257ers)
- Scheisse kommt – Scheisse geht
- Schmutzig Liebe machen
- Erzähl es meinem Mittelfinger (feat. Saltatio Mortis)
- Erzähl es meinem Mittelfinger (Reprise)
- Arschlochkind (feat. Swiss)
- Für Dich
- Barbie & Ken
- Lachend in den Untergang (feat. The Dark Tenor)
- Gott muss ein Arschloch sein
- Wir sind keine Band – 20 Jahre Version (feat. Der grösste Familienchor der Welt)
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