Herzblut – Berliner Jungs

© Herzblut

Geschrieben von Katja Maeting
Band: Herzblut
Album: Berliner Jungs
Genre: Punk
Plattenfirma: Demons Run Amok
Veröffentlichung: 14. Februar 2020

Der erste Eindruck ist ja meist entscheidend. Zum Glück ist man manchmal gezwungen, sich noch länger mit demjenigen zu beschäftigen und merkt dann irgendwann, dass da doch viel mehr hinter steckt als man zuerst gedacht hat.

So ging es mir mit den Jungs von Herzblut, die ich mit ihrer aktuellen Single „Berliner Jungs“ kennengelernt habe, dem Titeltrack des zweiten Albums der -natürlich- Berliner Deutschpunks. Mit dem Ding hatte ich sie in die Schublade „etwas dumpfer unterhaltsamer Partypunk“ gesteckt, nur um sie nach dem Durchhören des Albums schleunigst wieder daraus hervorzuholen und ihnen deutlich mehr Substanz zuzubilligen, als der erste Eindruck es vermuten ließ. 

Herzblut beschäftigen sich mit dem Genre-typischen Themenreigen von Gesellschaftskritik, Politik, Liebe, Saufen und persönlichen Problemen, erfreulicherweise textlich meist deutlich ausgefeilter als so manche altgediente Punk-Kollegen. Bei aller partytauglichen musikalischen Untermalung kriegen also auch die Hirnzellen mal was zu tun. 

Die fünf spielen einen eingängigen Punkrock, den man von der Musik her auch durchaus im Radio spielen könnte, gerne auch mal mit pop-schlagerhaften Stilmitteln. Textlich wird’s allerdings des Öfteren zu ruppig und direkt für die Mainstream-Unterhaltung. Eröffnet wird das Album mit „Lauter Schreien“, der sich in Pogo-tauglichem Tempo mit dem Zunehmen der Internet-Trolle beschäftigt und die Social-Media-Variante von „Schrei Nach Liebe“ von den Ärzten werden könnte. Großartig auch die Beziehungs-Hymne „Ich bin frei“, in dessen Ironie sich jeder wiederfinden wird, der schon seit ein paar Jährchen Tag für Tag neben dem gleichen Menschen aufwacht. Das Sahnehäubchen bildet dabei der Auftritt von Sarah Farinia, die uns Frauen definitiv aus der Seele spricht. 

Gut gelungen ist auch das politische Bildungsstück „Jamel“, dass in High Noon Western Untermalung inklusive Bläsereinsätz die Probleme des kleinen Ortes mit Rechtsradikalen thematisiert. Die größte Überraschung ist allerdings der Song „Dämonen“, der sich mit dem immer noch von vielen nicht nachvollziehbaren Kampf gegen die inneren Dämonen beschäftigt, den an Depressionen Erkrankte täglich zu kämpfen haben. Auch musikalisch entfernen sich Herzblut hier vom spaßigen Punkrock, stattdessen wird in einer Mischung aus Rammsteins „Mein Herz brennt“ und „All You Zombies“ von The Hooters erstaunlich viel Dunkelheit heraufbeschworen. 

In die Kategorie „ganz ordentlich“ fallen für mich Songs wie „Die Nacht“ oder auch „Auf den Dächern dieser Stadt“, die alle Deutschpunk Standards erfüllen, aber nicht besonders auffallen. Gut, dass „Berliner Jungs“ Spaß macht aber intellektuell keine Preise gewinnen wird – geschenkt. Und auch das Schunkel-Interlude „Komm her mein Schatz“ und das herrliche selbstironische „Auf Wiedersehen“ sind Geschmackssache, bei mir ergibt sich da ne 50:50 Verteilung.

Absoluter Totalausfall ist für mich allerdings das obligatorische Hoheitsträger-Bashing „Pegizei“. Dass sie es eigentlich besser wissen, als alle über einen Kamm zu scheren, hatten sie ja bei uns im Interview schon gezeigt. Und so fällt dieses stumpfe Abkanzeln der Polizei bei mir absolut durch. Immer dran denken: Arschlöcher gibt’s überall, wir müssen nur dafür sorgen, dass sie in der Minderheit bleiben. Da sollten die Jungs mal bei sich selber Nachhilfe nehmen, denn Texte wie „Ich kotz im Strahl“ kommen deutlich intelligenter daher. Auch wenn einem die musikalische Untermalung irgendwie bekannt vorkommt. 

Bleibt festzuhalten: auch wenn wir vielleicht nicht immer hundertprozentig einer Meinung sind, so sind Herzblut und ich definitiv kompatibel. Es ist gut, dass der Deutschpunk endlich Nachwuchs hat, der den Mund aufmacht und sich dabei trotzdem partytauglich präsentiert. Eine gute Mischung für alle, denen die Toten Hosen zu pathetisch geworden sind und denen die Ärzte deutlich zu wenig Songs rausbringen.

Von mir gibt es 7,5 von 10 Hellfire-Punkten

Trackliste:
01. Lauter Schreien
02. Heb‘ das Glas
03. Ich bin frei
04. Pegizei
05. Die Nacht
06. Der Tag
07. Jamel
08. Ich kotz im Strahl
09. Dämonen
10. Auf den Dächern dieser Stadt
11. Komm her mein Schatz
12. Berliner Jungs
13. Auf Wiedersehen

Line-up:
Benny – Vocals
Matze – Guitar
Felix – Guitar
Kevin – Bass Guitar
Dirk – Drums

Weitere Infos:
Herzblut bei Facebook
Herzblut bei Instagram
Website von Herzblut

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.