Geschrieben von Oliver Heberling // Fotos © gräffiX by Marco G
Neuborn Open Air Festival Wörrstadt // 22.-25.08.2019. Das NEUBORN OPEN AIR FESTIVAL, besser bekannt unter seinem Kürzel NOAF, markiert den Ausgangspunkt meiner Zeit beim Hellfire-Magazin. Letztes Jahr auf dem NOAF fragte mich unser Fotograf Marco, ob ich nicht Interesse hätte meine erste Review über die damals aktuelle The Book of Bad Decisions von Clutch zu schreiben, da die Stoner Rock-Fraktion bis heute spärlich unterbesetzt ist. Daher habe ich mich umso mehr gefreut, dieses Jahr als Schreiberling auf das knuffige 3500 Besucher-starke Festival kaum 30 Kilometer vor der Haustür zurückzukehren.
Den Vorteil der Nähe ausnutzend reiste ich Freitags vormittags mit dem Zug an. Kaum am Wörrstädter Bahnhof von Marco, der dieses Jahr einmal mehr die Fotos zum Bericht beisteuert, eingesammelt ging es raus in den Neuborn, auf dessen Altem Sportplatz das größte Event Wörrstadts steigt. Bei bestem Wetter entschlossen wir uns dazu die Nacht zu zelten und richteten auf dem Campingplatz von gemütlichem Ausmaß unser 4-Personen-Camp ein. Während Marco sich direkt aufmachte um mit GODSLAVE die erste Band zu fotografieren, verbrachte ich mit unserem Mitstreiter und meiner persönlichen Metal-Inspirationsquelle Marian noch etwas Zeit bei eigener Musik im Camp und bereitete mich auf das erste Festivalhighlight SKULL FIST vor.
Die vier Kanadier, die sich getreu ihrem Abschlusshit „No false Metal“, zu dem Fronter Jackie Slaughter weiterspielend Gitarrist Johnny Nesta aufschultert, haben sich dem klassischen Heavy und Speed Metal verschrieben. Trotz aktuellem 2018er Album mangelte es nicht an Klassikern. Eröffnet wurde vor treuem Publikum mit „Ride the Beast“, auch „Get fisted“ und „Head öf the Pack“ vom gleichnamigen Album fehlten nicht. Die Menge feierte bereits in der Mittagshitze erbarmungslos, ein immerwährend schöner Anblick beim NOAF. Dadurch, dass die Einzelbühne die Möglichkeit bietet jede Band zu sehen, die Wege zwischen Campingplatz und Festgelände selbst vom hintersten Punkt aus in unter 10 Minuten zu bewältigen sind und die Musikauswahl von Traditional Metal und Metalcore bis Psychedelic Stoner und Hardcore für ein solch beschauliches Event sehr abwechslungsreich gestaltet wird, kann sich jede Band einer stolzen Zuschauerzahl erfreuen.
So auch die auf SKULL FIST folgenden DAGOBA. Mir bekannt geworden durch ein Youtube-Video ihrer riesigen Wall of Death vom Hellfest 2014 bliesen sie mit ihrem Djent auch beim NOAF förmlich alles weg. Trotz Problemen mit der Technik und der Koordination auf der Bühne ließen sich die trinkwilligen Franzosen mit Jackie-Flasche im Anschlag nicht beirren und posten fleißig weiter. Mit ihrem knallenden Sound mit pointiert unterlegten Keyboards brachten sie auch die ersten Crowdsurfer des Tages in Wallung. Nach ausgiebigerer Essens- und Zeltplatzpause ging es dann zu fortgeschrittener Stunde mit der persönlichen Neuentdeckung des Tages weiter. Der Easycore von BURY TOMORROW deren Doppelgesang perfekt harmonierte und glockenklar über den Festplatz schallte übertrumpfte alles noch folgende um Längen. In meinen Augen der wahre Headliner des Tages. Der Wechsel zwischen Pop-Punk-Klargesang und gutturalem Gesang, den viele Easycore-Combos mit einem Sänger live schwerlich rüberbringen riss mich sofort in seinen Bann und auch das abwechslungsreiche Gitarrenspiel der Engländer zieht mit. Das fleißig mitspringende Publikum goutierte die Performance mit einem bebenden Neuborn.
Zum Abschluss des Tages folgten die Metallic Hardcore-Veteranen HATEBREED, mit deren abwechslunsarmen Sound ich bis heute nicht so richtig warm werde. Aus früheren Kleinstadtdisko-Metalparty-Zeiten feiere ich bis heute zwar immer noch „As diehard as they come“ und „Destroy everything“, eine Headliner-Performance hingegen finde ich sehr zäh. Die zuverlässige Hardcore-Fanbase des NOAF hingegen teilte diese Ansicht nicht und feierte und kaufte fleißig, wenn auch die Shirts peinlicherweise die Nachbargemeinde Ensheim als Ort des Geschehens angab.
Tag 2 begann deutlich früher als der Erste. Den Camping-Kater mit einem Colabier-Frühstück gekontert, räumten wir unseren Platz und verbrachten den finalen Tag komplett auf dem Festplatz. Perfekt zur Katerstimmung passten die Mainzer und Bornheimer Rockbahnhof-Contest-Sieger SHAMBALA. Ihr Post-Grunge war der perfekte Soundtrack um in der prallen Mittagssonne ein möglichst schattiges Sitzplätzchen einzunehmen und einfach nur der Musik zu lauschen. Besonders der Eddie Vedder-inspirierte Gesang von Moritz Riffel blieb im Ohr und verschafft dem Trio eine besondere Note. Sicherlich ein würdiger Gewinner, wenn ich auch die anderen Wettbewerbs-Teilnehmer nicht kenne. Während Marco fleißig weiter fotografierte, gönnte ich mir während THE FEELGOOD MCLOUDS lieber ein Mittagsschläfchen, um den Tank für die späteren Bands, die sich eher in meinem musikalischen Interessensradius bewegen wieder aufzuladen. Dazu gehörten besonders die direkt anschließenden MOTOROWL aus Thüringen, deren doomiger Psychedelic Rock mehr als positiv aus dem häufigen Psychedelic und Stoner Einheitsbrei hervorzuheben ist. Die aufwendigen Kompositionen laden mehr als nur einmal zum weiteren Hören ihrer Diskographie ein, die mir vorher gänzlich unbekannt war.
Von aufwendigen Kompositionen können die darauffolgenden ASOMVEL nur träumen, tun sie aber vermutlich nicht. Die Engländer um ex-Solstice Lenny Robinson orientieren sich lieber bis ins letzte Detail an Motörhead. Sänger und Bassist Ralph Robinson sieht aus wie eine junge Version Lemmy Kilmisters und röhrt auch vergleichbar ins Mikrophon. Was mir nicht aufgeht und den Spaß dieser Idee schleunigst trübte ist der Gedanke eine Band zu kopieren, die nicht von Musikalität sondern der Attitüde und dem Kultstatus ihres Fronters lebte, gleichzeitig jedoch nicht als Coverband aufzutreten (von denen es ja genügend gute und sogar äußerst prominent besetzte bereits gibt). Das fehlende Flair ließ den Funken der Eigenkompositionen nicht überspringen. Umso größer die Freude auf meinen anschließenden Favoriten des Tages: ENFORCER. Gespannt war ich besonders auf die Reaktionen des Publikums ob der durchwachsenen Resonanz ihres neuen Werks Zenith. Die Zeitreise durch den Sleaze Rock und Glam wurde jedoch positiv aufgefasst. Besonders der Kracher Zenith of the black sun wurde genauso abgefeiert wie die Speed Metal-Highlights „Mesmerized by fire“ oder „Take me out of this nightmare“ aus früheren Zeiten. Den humoresken Höhepunkt des Auftritts der Schweden kreierte Fronter Olof Wikstrand, mit seiner zweimaligen Ankündigung es sei eine große Ehre endlich wieder in „West-Germany“ aufzutreten. Diese augenzwinkernde Spitze der musikalischen 80er-Jahre-Zeitreise unterstrich eine durchweg gelungene Performance.
Was sich schon via Social Media vorher verbreitet hatte, wurde nun auch auf der Bühne nochmal verkündet. BENEDICTION würden aufgrund von Flugproblemen ihren Auftritt nicht wahrnehmen können. Zu diesem Zeitpunkt noch ein unbestätigtes Gerücht, holten sie ihn im Anschluss an AMORPHIS verkürzt noch nach und ließen damit die Herzen der standfesten Besucher und auch der Veranstalter höher schlagen. Zum 15-jährigen Jubiläum gab es dadurch noch eine Band mehr zu sehen, da die Mainzer Kultband NOCTE OBDUCTA kurzfristig einsprang. Die diversen Verspieler wurden aufgrund der Spontaneität gern verziehen, das wiederholte Betonen selbiger mutete jedoch auf Dauer etwas nervig an. Sympathischer inszenierten sich danach einmal mehr die Frankfurter TANKARD. Mit schwerem Stand nach Rheinhessen angereist ( 😉 ) schraubten sie die Stimmungskurve des Tages am Höchsten. Sowohl ihre Bier-Klassiker „A girl called Cerveza“, „R.I.B.“ oder „(Empty) Tankard“ als auch der Knaller „Rapid Fire (a tyrant´s elegy)“ pfefferten feinsten Thrash Metal der alten Schule durch den Neuborn. Stimmungshöhepunkte des Abends waren ein Sesselcrowdsurfer und ein Bierbank-Surfer, dessen Untersatz spontan von Sänger Gerre auf die Bühne geholt wurde um im Sitzen eine „Ballade“ zu performen.
Den eigentlichen Abschluss des Festivals bildeten dann die heiß ersehnten AMORPHIS, die bereits im Februar auf Tour die Region beehrten. Die meisten Songs stellte das aktuelle Album Queen of Time. Persönliches Highlight für mich war die Performance von „Into Hiding“ vom Zweitling Tales from the thousand lakes, dem AMORPHIS-Album mit dem Marco mich vor Jahren in Wacken auf einer Album-Only-Show angefixt hat und das ich als einziges bis heute wirklich kenne. Dennoch überzeugten sie mich wie auch schon in Wiesbaden erneut mit ihrer interessanten progressiven Mischung aus Death Metal und Weltmusik und brachten sowohl altes als auch neues Material genial ineinander über, ohne diskrepante Wirkung.
So bleibt auch das NOAF 2019 als weiteres Festival-Highlight in Erinnerung. Die spannende Mischung hält die Vorfreude auf Bandbestätigungen fürs Folgejahr durchweg hoch. Es kann immer was für einen dabei sein, womit nicht zu rechnen war. Auch der Faktor des Nicht-Wachsen-Wollens macht das NOAF super sympathisch. Alles gibts für kleines Geld, kurze Wege und eine überschaubare Menschenmenge und ehrenamtliche Helfer sorgen für eine stets lockere und ausgelassene Atmosphäre. Auch das vierte Jahr in Folge habe ich keineswegs bereut und vermutlich wird es für Marco und mich auch 2020 wieder heißen: HEY NOAF….
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