Geschrieben von Katja Rohloff
Band: HIRA
Album: Silence Is Violent
Genre: Melodic Hardcore
Plattenfirma: unsigned
Veröffentlichung: 18. April 2018
„Immer diese Streber“ war mein erster, mit einem fetten Zwinkern versehener, Gedanke nach dem Anhören der Debüt-EP von HIRA. Während andere Bands mit einer so kurzen Historie noch auf allen Vieren durch die musikalische Krabbelgruppe rutschen, stampfen die fünf Jungs aus dem Großraum Dortmund schon mit vergleichsweise sicheren Schritten über ihre musikalische Spielwiese „Silence Is Violent“.
Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass die drei Gründungsmitglieder von HIRA bereits vorher in einer Band zusammengespielt haben, somit nicht nur über grundsätzliche Erfahrung verfügen, sondern auch ein eingespieltes Team sind. Ergänzt um das musikalische Talent der beiden weiteren Mitglieder dauerte es gerade mal ein halbes Jahr nach der Bandgründung Anfang 2017, bis HIRA bereit fürs Studio waren. Und mit den The Barracks Studios von Sky van Hoff suchte man sich dafür dann auch nicht gerade die schlechteste Adresse aus. Herausgekommen sind fünf abwechslungsreiche Songs, die den Sound von HIRA als facettenreich und vielversprechend definieren.
Direkt beim ersten Hören fällt angenehm auf, dass HIRA es nicht für nötig halten, sich hinter einer Wall of Sound einzumauern und den Hörer einfach mit stumpfer Power wegzubomben. Haben sie auch nicht nötig. Folglich kann man sich hier einen entzerrten Sound voller Details genussvoll auf die Ohren geben. Ob man das allerdings unbedingt Melodic Hardcore nennen muss, ist wohl Ansichtssache. Melodisch ist es auf jeden Fall, aber Hardcore suggeriert mir zu sehr Vorschlaghammer. Stattdessen verbinden HIRA in ihrem Sound nicht nur genre-verwandte Stilelemente aus dem Metalcore und Post-Hardcore, sondern bedienen sich auch an (viel) weiter entfernten Schubladen.
Die Songs auf „Silence Is Violent“ sind in ihrer Gestaltung immer wieder überraschend. So startet „Burdened“ mit einem Riff-Motiv, welches eher Alternative Metal erwarten lassen würde, bevor der Song mit dem Einsetzen der Vocals das Tempo anzieht. In den Strophen druckvoll und ziemlich heavy agierend und dazu passend mit Shouts gesanglich umgesetzt, lockert sich die Klangdichte im Chorus melodisch und durch die cleanen Parts wieder auf, erhält aber durch den gutturalen Backing Sound eine angenehme Reibung, die den melancholischen Effekt etwas abmildert. Diese Synergie der beiden Stimmen wird im weiteren Songverlauf mit unterschiedlicher Dominanz fortgesetzt und vermag so spezielle Betonungen zu setzen. Ein in seiner Struktur sehr ausgewogener Song, der dem Hörer nicht einfach plump Gegensätze hinknallt.
Das überraschend nach Grunge klingende Eröffnungs-Riff von „Silence“ zieht sich durch den kompletten Grundton des Songs und zeigt, wie gut die Band jetzt schon verschiedene Stile fusionieren kann, um sich daraus einen eigenen Sound zu bauen. Kein Song aus dem „Core-Baukasten für Dummies“, sondern überraschend anders und überraschend angenehm. Grundsätzlich erzielen HIRA neben einer durchdachten Melodieführung gerade durch die Vocals einen besonderen Effekt, da die cleanen Parts hier nicht hochglanzpoliert, sondern emotional und mit einer innewohnenden Zerbrechlichkeit rüberkommen. Sehr schön zu beobachten bei der Single „Mute“ und dem Song „Snowblind“, denn gerade bei letzterem dienen sich die Instrumente in weiten Teilen als rein unterstreichendes Klangkonstrukt für beide Gesangslinien an und verzichten auf Dominanz. „Mute“, die weitere Single-Auskopplung beweist dann, dass HIRA auch klassische, härtere Songstrukturen beherrschen und sich der typischen Hardcore/Metalcore-Wirkeffekte bedienen können.
Für mich haben HIRA schon jetzt ein überzeugendes Grundrezept für ihren Sound gefunden. Als Debüt einer so jungen Band macht „Silence Is Violent“ definitiv Bock, den weiteren Weg dieser Jungs zu verfolgen. Klar kann man immer noch was besser machen, ich würde mir vielleicht noch ein paar mehr Kanten im Sound wünschen, um die Songs noch greifbarer zu machen und die Individualität weiter auszubauen. Beim Gesang könnten die Gegensätze gerne auch etwas schärfer konturiert sein und vielleicht auch mal die Extreme ausloten. Aber ich heul hier schon fast im Bereich der Bonuspunkte, denn wer innerhalb eines halben Jahres Bandgeschichte so ein Debüt hinkriegt, hat alle Voraussetzungen, mit dem nächsten Output ziemlich viele Kinnladen nach unten klappen zu lassen. Und live dürfte das Ganze erst Recht interessant werden.
Trackliste:
01. Burdened
02. Wake
03. Silence
04. Mute
05. Snowblind
Line-up:
Vocals – Marc Johannsen
Bass / Vocals – Andreas Mpoussis
Guitar – Oliver Suikat
Guitar – David Fischer
Drums – Leon Suikat
Weitere Infos:
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Website von HIRA