Geschrieben von Dirk Draewe
Die Hohepriester des Metal riefen ihre Jünger nach Oberhausen
Oberhausen – König-Pilsener-Arena. 1980 sah ich Judas Priest zum ersten Mal live auf der Bühne und seit dem war ich ihnen verfallen. Ich habe alle Epochen und Entwicklungen der Band miterlebt, sei es die musikalische Experimente bei der Turbo-Ära, das Coming-Out von Frontman Rob Halford, seinen Weggang und die Rückkehr zur Band… um nur einige Meilensteinen zu nennen. Klar verändert sich eine Band auch im Laufe der Zeit, wenn man so lange im Geschäft ist. Was aber im Beispiel von Judas Priest in meinen Augen keine Schande ist und sich sogar positiv ausgewirkt hat. Tja und nun stehe ich vor der Bühne in Oberhausen und warte, wie auch die anderen Fans, gespannt was mich heute Abend erwartet.
UFO als Opener
Als Opener konnten Judas Priest die britische Formation UFO für sich gewinnen, was keine schlechte Wahl war. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Masse der anwesenden Fans hautpsächlich wegen den Metal-Priestern da war. Die Setlist war ausgewogen und Sänger Phil Mogg, zusammen mit Schlagzeuger Andy Parker die beiden einzigen Gründungsmitglieder, gaben alles um die Fans auf den Auftritt von Priest vorzubereiten. Alledings muss man auch ehrlicherweise zugeben, dass der Zahn der Zeit schon deutlich an ihnen genagt hat. Nach einer Spielzeit von rund 45 Minuten begann die Umbauphase und die Bühne wurde mit einem riesigen Judas Priest Banner verhüllt, welches ich schon von Wacken kannte.
Warten auf die Metal-Gods
Mit jeder Minute des Wartens wurden die anwesenden Fans, altersmäßig bunt gemischt, wobei die älteren Semester überwogen, immer unruhiger und die ersten Priest-Priest-Priest-Rufe schwollen durch Halle. Schließlich begann das Intro zu „War Pigs“, das Licht wurde runtergedreht und ab da gab es kein Halten mehr. Mit einem Donnerschlag fiel der Vorhang und gab den Blick auf die imposante, wenn auch zu früheren Zeiten sehr spartanische Bühne frei. Zunächst sah man nur die beiden Gitarren-Heros Glen Tipton und Richie Faulkner, gefolgt von Bassist Ian Hill und dem Ausnahme-Schlagzeuger Scott Travis. Mit einem einem wahnsinnig klaren Sound eröffneten sie das Metal-Fest mit dem Titel „Dragonaut“ von der letzen Scheibe „Redeemer Of Souls“ und jeder Ton, jeder Schlagzeugtakt, bohrte sich wie Messer in unsere Eingeweide. Dann erschien, nahezu majestätisch, der Metal-God persönlich… gewohnt mit Sonnenbrille und schwarzen Lederklamotten.
40 Jahre Musikgeschichte live gesungen
Während auf der riesigen LED-Leinwand im Hintergrund die jeweiligen Platten-Cover eingespielt wurden, hauten Priest einen Hit nach dem anderen raus… kein leichtes bei über 40 Jahren Bandleben. Aber Priest wären nicht Priest, wenn sie nicht wüssten, was die begeisterten Fans wollen. Die Setlist beinhaltete viele Songs von der letzten Scheibe „Redeemer Of Souls“ wie z.B. „Halls Of Walhalla“, aber auch die Alltime-Klassiker „Victim Of Changes“, „You’ve Got Another Thing Comin’“ oder „Breaking The Law“, um nur einige zu nennen und so blieb kaum ein Wunsch unerfüllt. Was mir persönlich auch das Herz höher schlagen ließ und ich glaube so ging es vielen Fans ähnlich… endlich konnte ich wieder einmal „Desert Plains“ vom „Point Of Entry“-Album und „Rage“ vom Klassiker Album „British Steel“ live hören. Was mich vor allem aber in den letzten 10 Jahre dabei immer wieder faszinierte, dass selbst ganz junge Metal-Jünger absolut textsicher waren und Songs lauthals mitsangen, die weit vor ihrer Geburt… ach was sage ich, weit vor ihrer Zeugungdas Licht der Musik-Welt erblickten. Oder aber auch das Generationen zusammen abrockten und die Haare, so weit sie noch vorhanden waren, durch die Luft wirbeln ließ. Wieder ein Zeichen mehr für mich, dass Musik Generationen verbindet!
Power ohne Ende
Doch zurück zur eineinhalb stündigen Show, die mich wieder einmal sehr nachhaltig beeindruckt hat und mir noch immer im Kopf rumspukt. Halford, noch nie ein Mann der großen Worte, zeigte sich in einer mir bisher nie dagewesenen Verfassung. Selbst die Screams, wenn auch nicht mehr so hoch wie früher, gingen uns allen durch Mark und Bein. Trotz aller Unkenrufe, dass seine Stimme nicht mehr so klingt wie früher… hey der Mann ist 64 und nach über 40 Jahren Bühne- und Konzert-Leben körperlich und stimmlich noch so gut dabei zu sein, verdient schon Respekt. Fakt ist, dass Priest an diesem Abend einmal mehr gezeigt hat, wer die Herrscher in der Metal-Oberliga sind. Da kann man zu der Band stehen wie man will, aber kaum eine andere Band hat die Metal-Szene so entscheident geprägt wie Judas Priest. Anfänglich hatte ich jedoch das Gefühl, dass die Fans noch sehr verhalten reagierten, aber als schließlich die Klassiker ausgepackt wurde, gab es kaum noch ruhig stehende Fans. Die Stimmung erreichte dann ihren absoluten Siedepunkt, als Rob Halford zum Song „Hell Bent For Leather“ mit der Harley auf die Bühne rollte und auf dem Kopf eine Nikolaus-Mütze trug. Aber es ging noch weitaus mehr und so explodierte die Menge förmlich bei dem kurz danach gespielten Song „You’ve Got Anonther Coming“ und bei „Painkiller“ war es schließlich ganz vorbei. Vielleicht auch noch kurz ein Wort zum jüngsten Mitglieder der Band, Richie Faulkner, der nun auch schon seit 5 Jahren festes Bandmitglied ist. Nach dem Weggang von K.K. Downing, dem heute noch viele Fans nachtrauern, ist seine positive Ausstrahlung auf die Band unbeschreiblich. Ich hatte ihn 2012 das erste Mal live gesehen und die Leichtigkeit seines Gitarrenspiels, das Spiel mit dem Publikum aber auch die brettharten Solis oder Riffs beindruckten mich damals wie heute. Ich wage gar nicht an den Moment zu denken, wenn es irgendwann vielleicht keine Live-Shows mehr von Priest geben wird. Power und Ideen haben die fünf Vollblutmusiker auf alle Fälle mehr als genug.
Imposante Tour-Statistik und neue CD?
Zum Schluss gab es auch noch ein paar Fakten zur „Redeemer Of Souls“-Tour, die vor 468 Tagen mit den ersten Rehearsals begann und in Oberhausen ihren ehrwürdigen Abschluss fand. Insgesamt, so Halford weiter, spielte man 130 Shows in 33 Ländern und 4 Kontinenten und legte dabei eine Strecke von rund 300.000 km zurück. Wer meint, die Band würde sich nun endgültig aus dem Show-Leben zurück ziehen, der wurde in Oberhausen auch noch eines besseren belehrt. Erst kürzlich verkündete Halford in einem Interview mit dem US-Amerikanischen Radiosender Q104, dass man sich noch lange nicht ins Altersheim zurück ziehen will und am liebsten sofort die nächste Scheibe auf den Markt schmeißen würde… ich würde es mir auf alle Fälle wünschen. Dieser Wunsch wurde für die anwesenden Fans teilweise wahr, als sich Halford mit den Worten „The Priest will be back with a new record in the near future“ nach einer grandiosen Show von der Bühne verabschiedete.
Setlist:
- War Pigs (Intro vom Band)
- Battle Cry (vom Band)
- Dragonaut
- Metal Gods
- Desert Plains
- Victim of Changes
- Halls of Valhalla
- The Rage
- Turbo Lover
- Redeemer of Souls
- Beyond the Realms of Death
- Screaming for Vengeance
- Breaking the Law
- Hell Bent for Leather
- The Hellion (vom Band)
- Electric Eye
- You’ve Got Another Thing Comin‘
- Painkiller
- Living After Midnight
- We Are The Champions (vom Band)
© Photos by Dirk Draewe ( www.draewe.de bzw. facebook.com/pixxelkunst)
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