Metal für die Augen

Stellt man sich die Frage, wann die ersten Musikvideos produziert wurden, legt man sich sehr schnell auf die 80er fest, denn zu dieser Zeit schossen Musikkanäle wie Pilze aus dem Boden und förderten diese Branche.

Dank Youtube stellt man aber schnell fest, dass eigentlich das Ganze mit Beginn des Tonfilms angefangen hat.

Natürlich wurde die Videoproduktion in den 80ern forciert. Jeder KünstlerEin Mann mit Filmkamera „brauchte“ unbedingt einen Videoclip, damit er seine Fangemeine erreichen konnte.

Im Rahmen von Internet, Youtube, Facebook usw hat die Verbreitung der Musikfilmchen ihren Höhepunkt erreicht.

Es gibt Millionen Clips, die amateurhaft produziert wurden.

Und es gibt eine Menge Outputs, hinter denen Profis stecken, die aber nur sehr selten aus dem Schatten der Musiker treten.

Einen dieser Produzenten/Regiesseure möchten wir Euch hier vorstellen: Rainer „Zipp“ Fränzen hat bereits eine Menge Musikvideos produziert.

Die Bands, mit denen er gearbeitet hat lassen aufhorchen: Dimmu Borgier, Masterplan, Almanac, Brainstorm, Orden Ogan….

1) Rainer, gib mir mal ein paar Eckdaten Deiner Firma: wie setzt sich Dein Team zusammen? Wann hast Du mit der Filmerei angefangen? Wie kamst Du dazu? Wo sind Deine Wirkungsbereiche?

Ich habe 1999 festgestellt, dass ich in meinem Job in der Kunststoff-Industrie nicht mal annähernd Erfüllung finden konnte und es war klar, dass ich nach weiteren zehn Jahren in diesem Business Amok laufen würde. Da dies besonders für den Amokläufer immer sehr unschön endet, habe ich beschlossen, meinem Leben eine andere Richtung zu geben.

Geschichten zu erzählen ist schon immer etwas gewesen, das mir sehr am Herzen gelegen hat, mit besonderem Augenmerk auf die visuelle Seite. So kam ich durch Zufall auf den Berufwunsch des Regisseurs, denn der schien genau das zu sein, was ich immer machen wollte.

Um Regisseur zu werden, „muss“ man studieren. Also: Abi nachgemacht und… keinen Studienplatz bekommen. Dafür aber habe ich mit Freunden zwei Fantasyspielfilme produziert. Wir hatten weder Ahnung, noch Geld. Aber wir hatten eine Menge Enthusiasmus. Die Filme sind tatsächlich fertig geworden und sie waren für mich vor allem eins: eine sehr gute (und harte) Schule.

Das hat mich über diverse Praktika, Jobs und Ähnliches schließlich zu meiner heutigen Selbstständigkeit gebracht. Viele der Freunde der ersten Produktionen haben ebenfalls den Weg in die Medienbranche eingeschlagen und wir arbeiten immer noch sehr gerne zusammen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Irgendwie bin ich aber in die Musikszene abgedriftet und mache vornehmlich Musikvideos, Studiodokus oder auch ganze Musik-DVDs. Gelegentlich kommt mal ein Imagefilm dazwischen, oder ein Event-Video oder ich jobbe auch mal als Assistent für Spezialeffekte beim Film und TV. Quasi alles, was mir ein paar Brötchen auf den Tisch bringt und moralisch korrekt ist. Was aber auch insofern sehr praktisch ist, weil es mein Team und mich sehr vielfältig aufstellt und nicht auf eine Sparte beschränkt.
Eine Gruppe KameraleuteDamit sind wir beim Team: ohne meine Crew wäre es nicht möglich, immer wieder Clips umzusetzen, die mehr Aufwand als Budget haben und dennoch eine überzeugende Qualität zu erreichen. Es sind verschiedenen Leute, die als „freie Medienschaffende“ tätig sind, unter den meisten von uns hat sich eine sehr gute und lang anhaltende Freundschaft entwickelt. Und vor allem ein sehr gutes Teamgefühl, das uns stets durch die oft sehr strapaziösen Dreharbeiten bringt (ich sag nur: siebenundzwanzig Stunden Dauerregen am Loch Ogan, Laser-Sonne bei Stahlmann oder Bunkerkälte bei Masterplan, Sinbreed und Brainstorm). Zusammen arbeiten wir mit viel Humor straight nach vorne und kriegen das hin!

2) Welches war Dein erstes Musikvideo und wie bist Du speziell an diesen Job gekommen?

Das erste „richtige“ Musikvideo, bei dem ich Regie geführt habe, war „Egil Saga“ von FAUN. Ich hatte zu der Zeit die Position der Videoabteilung für deren Musiklabel inne und für das Album „Licht“ haben wir dann ein Video gebraucht. Und in direktem Anschluss an diesen Clip kam dann auch die Musik-DVD „Lichtbilder“ gleich hinterher.

3) Die Referenzliste der von Dir gedrehten Musikproduktionen wird immer länger. Mit welchen Künstlern hast Du bisher zusammengearbeitet?

Eine fast unfaire Frage, denn ich befürchte nun, in der langen Liste jemanden zu vergessen. Immerhin sind es jetzt knapp zehn Jahre, in denen ich eine Menge Musikvideos und Liveclips für eine Menge Bands umgesetzt habe. Ich versuch’s aber trotzdem mal (in alphabetische Reihenfolge):

Ein Rocksänger mit einem Gitaristen

AC Angry

Aethernaeum

Alexander Paul Blake

Almanac

Atrocity

Bardic

Black Messiah

Brainstorm

Cultus Ferox

Dimmu Borgir

Dirty Blues Band

Eden Weint Im Grab

Eisenherz

Erdenstern

Faun

Gimmicks

Girls under Glass

Gothminister

Gun Barrel

Kissin‘ Dynamite

Leaves‘ Eyes

Liv Kristine

Masterplan

Minotaurus

Molllust

Mortal Hatred

Orden Ogan

Qntal

Relinquished

Schelmish

Sinbreed

Spirit of Desire

Stahlmann

Subsonic

Transit Poetry

Trikolo

4) Musiker sind nach meinen Erfahrungen eine eigene, zum Teil recht schwierige Spezies. Solange sie sich in ihrem eigenen Wirkungskreis befinden ist alles im Fluss. Kommen andere Faktoren dazu, wird eine Zusammenarbeit mitunter recht schwierig. Kannst Du da meine Erfahrung teilen?

Natürlich sind Musiker eine eigene Spezies. Und natürlich ist die Zusammenarbeit mit jemandem, der vornehmlich im Bereich Audio unterwegs ist, nicht einfach – vor allem, wenn man selbst eher visuell unterwegs ist…

Aber ich halte es da wie Rorschach von Watchmen: „I am not in here with you, you are in here with me!“

Schließlich sage ich immer: „Ich bin kein Techniker, ich bin Künstler! Kein Talent, aber extzentrisch!“

Ergo darf ich mich nicht beschweren, wenn jemand etwas anders ist, weil er sich größtenteils in einer Welt befindet, die vielen anderen nicht oder nur schwer zugänglich ist. Aber ich würde die Zusammenarbeit nicht unbedingt als schwierig bezeichnen, vielmehr als „interessant“ oder ggf. auch „anders“. Bis auf sehr wenige Ausnahmen habe ich nämlich extrem gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht.

Letzten Endes dreht es sich nicht darum, wer Recht hat, sondern darum, dass der Clip gut wird. Also hat man ein gemeinsames Ziel und kann zusammen darauf hin arbeiten.

5) Inwieweit hast Du Einfluss auf die Konzepte der Videos? Wirst Du generell ins kalte Wasser geworfen und es heißt „mach mal“ oder haben die Bands schon genaue Vorstellungen?

Im Bezug auf die Ideen und Umsetzungen ist es jedes Mal anders. Manchmal hat die Band eine klare Idee, manchmal gar nicht oder irgendwas dazwischen. Es kann ebenso schwierig sein, wenn die Band genau weiß, was sie möchten, wie auch die völlige Ahnungslosigkeit. Essentiell ist es, dass Vertrauen zueinander da ist. Ich hatte kaltes Wasser und heiße Thermen – doch jedesmal ist es für mich wichtig, dass die Bilder auch die Musik transportieren und umgekehrt.

Ein Musikvideo, wo Bild und Ton nicht im Einklang sind, ist für mich falsch. Sicherlich bleibt es letzten Endes eine Geschmacksfrage, aber ich möchte immer nach bestem Wissen und Gewissen alles getan haben, damit a) die Band und b) die Fans glücklich mit dem Endprodukt sein können.

Nur selten fragt nachher jemand, wer das Video gemacht hat. Aber es steht ganz groß der Bandname darüber. Also ist es kein „Rainer ZIPP Fränzen Video“, sondern der neue Clip von z.B. „Eden Weint Im Grab“. Wenn die Musiker nicht glücklich mit ihrem Video sind, kann ich es auch nicht sein.

6) Wie muss man sich ein Videodreh vorstellen? Wieviel Drehtage stehen wieviel Tagen der Vorbereitung und Nachbearbeitung gegenüber?

Gegenfrage: wie kann ich mir z.B. ein Auto vorstellen? Jedes Video ist anders, es gibt extrem viele Faktoren, welche die verschiedenen Departments einer Produktion beeinflussen können.

Aber es hat sich ein ungefähres Niveau heraus gefiltert, das für das „normale Video“ im „normalen Metal-Budgetrahmen“ als Durchschnitt gelten kann:

PreProduktion: 5-10 Tage

Dreharbeiten: 2 Tage

Schnitt: 3-4 Tage

Farbkorrektur: 2-3 Tage

Korrekturphase: 1-2 Tage

Foto 4Ein guter Freund von mir sagte mal: „So wie du arbeitest, möchte ich mal Urlaub machen!“ Er war dann als Set-Assistent beim Almanac Video „Self blinded eyes“ dabei und hat diesen Ausspruch ganz schnell revidiert. Er hatte zwar eine Menge Spaß, aber auch einen proportionalen Gegenwert an Muskelkater und Schlafmangel.

Ich könnte auch Forrest Gump zitieren: „Ein Videodreh ist wie eine Schachtel Pralinen…“

Egal, wie gut man vorplant, egal wie viele Risiken man versucht im Vorfeld auszuschließen – es passiert jedes Mal irgend etwas, das man nicht vorhergesehen hat, das man nicht gebrauchen kann und das man irgendwie und vor allem schnell und ohne große Geldmittel aus der Welt schaffen muss.

Das macht so einen Dreh immer interessant, nie langweilig und es ist jedesmal eine Herausforderung. Hier kommt wieder das gute Team zum Tragen, das man braucht, um all diese Unwägbarkeiten schnell und nachhaltig zu umschiffen.

Was mich aber sehr beruhigt hat: auch bei den „großen“ Dreharbeiten bei Kino- und Fernsehfilmen geht es nicht anders zu. Auch hier gibt es die gleichen Probleme und Schwierigkeiten, die sich spontan ergeben.

Hat man aber gut vorgeplant, dann kann man normalerweise rasch auf die neue Situation reagieren. Ergo sollte man nie zu wenig Zeit in eine gute Planung stecken.

Im Gegensatz zu dem, was man oft in Making Of Videos sieht, wird bei einem Videodreh nicht nur gelacht und gescherzt. Auch, aber nicht nur. Es ist ein harter Job, denn jede Minute ist wichtig und man darf keine Zeit verschwenden. Man hat keine Zeit für lange Experimente, sondern muss umgehend zum Punkt und einem guten Ergebnis kommen. Egal ob das Wetter mitspielt, ob das Stromaggregat ausfällt oder ob der Schauspieler im Monsterkostüm gerade das Bewusstsein verloren hat.

Wie so oft unter Stress-Situationen kann man sich aber mit einem trockenen und gnadenlosen Humor durch so einen Sturm kämpfen. Das schont die Nerven und trotz aller Unwillen hat man im Nachhinein das Gefühl, erschöpft zu sein, doch weiß man auch, dass man eine gute Zeit erlebt hat.

7) Wie intensiv setzt Du Dich vor der Produktion mit den Texten der zu visualisierenden Songs auseinander? Fühlst Du Dich durch ein Bandkonzept (z.B. die Kostüme von Orden Ogan, das Image von Dimmu Borgier) sehr eingeschränkt oder beflügelt Dich das eher?

Die Songs und deren Texte sind der wichtigste Bestandteil meiner Vorplanung. Die Musik sagt mir quasi, was für Bilder sie will, die Texte sagen mir, wie sie umgesetzt werden wollen. Ohne eine intensive Auseinandersetzung mit dem Song kann ein Video meiner Meinung nach nicht gut werden. Handwerklich gut gemacht, aber nicht emotional gut.

Ein Bandkonzept ist durchaus hilfreich, denn es ist eine Basis, auf der wir aufbauen können. Natürlich macht es auch den einen oder anderen Weg unmöglich, doch zeigt es direkt andere Wege auf, die man vorher vielleicht nicht gesehen hätte.

Foto 5Die Kostüme bei Orden Ogans „F.E.V.E.R.“ zum Beispiel sind in enger Zusammenarbeit mit Seeb im Rahmen des Videokonzeptes entstanden und von der Kostümdesignerin Transylvania passend umgesetzt worden. Hier haben wirklich alle Departments Hand in Hand gearbeitet: Seeb hatte sehr klare Vorstellungen, was er haben möchte und somit eine sehr gute Richtung vorgegeben, Transylvania hat die Kostüme passend dazu und passend zum Coverartwork umgesetzt, der Look des Videos hat von allem eine Färbung bekommen und allem auch einen Teil mitgegeben.

Als ich „The Sacrilegious Scorn“ mit Dimmu Borgir gedreht habe, war ziemlich offensichtlich, dass wir mit dem Image der Band und dem Konzept dahinter eine sehr gute Richtung hatten, in die wir einfach gehen konnten / wollten / mussten.

8) Ist es hilfreich auf die Mucke der Bands zu stehen oder fühlst Du Dich eher wohler, wenn Du das Ganze mit sehr viel Abstand angehst?

Ich finde es sehr hilfreich, wenn mir die Musik gefällt. Als ich das eine HipHop-Video gemacht habe, konnte ich mich zwar auf die Musik einlassen und daran arbeiten, ohne an Qualität zu verlieren, doch wer hat nicht gerne auch Spaß bei der Arbeit?

Es ist dann später schwierig, wenn man sich z.B. die ganze CD anhört und dazwischen der eine Song ist, den man tausend mal gehört und komplett seziert, analysiert und auseinander genommen hat. Doch hier macht für mich einen guten Song aus, dass ich ihn auch im Nachhinein immer noch gerne höre.

9) Gibt es Künstler, mit denen Du unheimlich gerne mal was machen würdest, die Deiner Meinung nach aber unerreichbar sind?

In der Regel ist es für mich nicht wichtig, ob eine Band „erreichbar“ ist/war, denn ganz gleich in welcher Liga sie spielt, ich möchte immer aus den gegebenen Mitteln das Beste heraus holen. Zudem möchte ich niemanden auf Sockel heben oder abstufen, denn ganz gleich ob erfolgreich oder noch im Aufbau – wir sind alles nur Menschen und als solche grundsätzlich auf einem Level. Ich freue mich also immer, wenn es zu einer interessanten Zusammenarbeit kommt.

Aber es gibt tatsächlich drei Musiker, bei denen ich mich ganz besonders freuen würde: Alice Cooper, King Diamond und Doro.

10) Wie ist Deine Planung für die nahe Zukunft? Sind weitere Produktionen bereits bestätigt, in Verhandlung…?

Es ist immer unterschiedlich, wie weit ich vorplanen kann. Manche Projekte kommen sechs Monate im Voraus auf den Tisch, andere sechs Tage. Und leider darf ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, was sich gerade zwischen Tastatur und Drucker auf dem Stapel „yet to come“ so tummelt…

Gechrieben von Jörg Schnebele

Im Netz:

http://www.undaction.org/

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