Geschrieben von Katja Maeting
Band: Mirrorplain
Album: Lost In Paradise
Genre: (Alternative) Metal/ (Alternative) Rock
Plattenfirma: Fastball Music
Veröffentlichung: 19. Juli 2019
Bands sind in mancher Hinsicht ja schon ein bisschen wie Kinder. Wenn man sie länger nicht gesehen bzw. gehört hat, dann denkt man oft: „Sch…, die sind ja ganz schön gewachsen“. Für die Jungs von Mirrorplain gilt das gleich in mehrfacher Hinsicht. Den ersten Wachstumsschub – von fünf auf sechs Bandmitglieder – hatte ich im Zuge der Release-Tour zu ihrem 2017er Debütalbum „Path Of Salvation“ noch live mitbekommen und auch die damit einhergehende ständig größer werdende Fan-Base, aber danach waren die Begegnungen, insbesondere der musikalischen Art, eher sporadisch.
Umso erstaunter also mein Gesichtsausdruck, als ich die neue Scheibe „Lost In Paradise“ das erste Mal hörte. In den letzten zwei Jahren sind Mirrorplain deutlich reifer geworden, auch durch all die positiven und negativen Erfahrungen, die sie durchlaufen haben. Tiefpunkt war wohl der Einbruch und Diebstahl im Proberaum, der auch die Arbeiten am Album kurzzeitig zurückwarf, aber das daraus resultierende erfolgreiche Crowdfunding, viele gefeierte Live Shows und ihre Freundschaft sorgten dafür, dass es für die Jungs weiter – und weiter aufwärts – geht.
Als nächsten Meilenstein können sich Mirrorplain eine am 25. Juli beginnende Europa-Tour mit Queensryche und Firewind in die Memoiren schreiben – und bringen ihr neues Album mit. Schon die erste Single „Northstar“ zeigte einige der durchweg positiven Veränderungen im Sound der Band aus dem Sauerland. Sie agieren deutlich kompakter und konzentrierter (die Songs haben fast alle 1-2 Minuten weniger Spielzeit), Akzente, insbesondere des Keyboards, werden pointierter gesetzt und die Jungs fahren deutlich klarere Kante auf, musikalisch und inhaltlich, denn die Texte sind oft viel persönlicher ausgefallen als es auf „Path Of Salvation“ der Fall war.
Die musikalische Metamorphose der Jungs aus dem Sauerland kann man sehr schön an der nächsten Vorab-Single „Sealed Off“ verfolgen, die am 12. Juli veröffentlicht wird. Der Track entspricht mit seiner lockeren, rockigen Bauweise noch stark den Songs des Debütalbums, beinhaltet deutlich weniger Härte-Elemente als seine Album-Nachbarn, stellt dafür aber perfekt die neuen Fähigkeiten von Mirrorplain heraus. Eines der im Vergleich zur letzten Scheibe wenigen Stücke mit größeren, deutlich hervortretenden Keyboard-Passagen, setzt die Band diese Soundfacette hier jedoch erheblich anders ein. Früher mäanderten die Keys öfters als purer Selbstzweck vor sich hin, jetzt sind sie tragendes Gerüst, das genau an den richtigen Stellen im genau richtigen Maß eingezogen wird. Ihre Trademarks haben Mirrorplain aber weder abgelegt noch ausgetauscht, sondern auch auf dem neuen, deutlich druckvolleren Werk gut integriert. Wer sich damals für Songs wie „Fortune“ oder „Eternal Jack“ begeistern konnte, findet bei „Speak To The Deaf“ oder dem Titeltrack „Lost In Paradise“ eine ähnliche Mischung aus epischen, teils balladenhaften Momenten und schnellen, druckvollen Passagen, nur hier deutlich Riff-betonter und mit mehr Metall hinterlegt.
Bei „Drown“ wird es dann richtig heavy, musikalisch, stimmlich und inhaltlich. Hier transportiert die Musik die Emotionen des Textes und die Vocals setzen mit ihren Facetten zwischen Verzweiflung, Aggression und Wut die Betonungen. Der Abschlusstrack „Faceless World“ stimmt hingegen das erste und einzige Mal richtig (halb)balladige Töne an, die man sich als wunderschönen Soundtrack für ein Roadmovie mit positivem Ausgang vorstellen kann. Weiche Gesangslinien, streckenweise eine akustische Gitarren-Untermalung und insgesamt eine locker verflochtene Instrumentierung setzen ein paar träumerische Momente ans Ende von „Lost In Paradise“. Von der Trackliste abweichend möchte ich als letztes allerdings den Track ansprechen, der mir von diesem Album am besten gefällt, No 1-0-7, weil er im Heavy Melodic Metal Gewand innerhalb von 4:17 Minuten das ausdrückt, für was Mirrorplain stehen und was diese Band ausmacht: Zusammenhalt und der Wille, niemals aufzugeben.
Ich gebe zu, ich fand „Path Of Salvation“ damals toll, aber rückblickend wirkt das Debüt von Mirrorplain wie erste, leicht unsichere Schritte, während „Lost In Paradise“ ein selbstbewusstes und geradliniges Voranschreiten ist. Es macht einfach Spaß, die Entwicklung dieser Band zu beobachten. Die sechs haben sich ihre Individualität bewahrt, aber ihr Profil deutlich schärfer geschliffen. Auch wenn sie stilistisch immer noch machen was sie wollen und es mit Genre-Unterordnungen noch weniger als zuvor haben, so empfehlen sie sich mit dem neuen Album erheblich deutlicher für alle Freunde von druckvollen, heavy Riffs, begleitet von stimmig dosierten Melodien, die den kraftvollen Gesamteindruck unterstreichen statt verwischen. Auf der kommenden Europa-Tour wird das Publikum schon nach dem Opener ziemlich durchgeschwitzt sein.
Von mir gibt es 8,5 von 10 Hellfire-Punkten
Trackliste:
01. Northstar
02. Speak To The Deaf
03. N0. 1-0-7
04. Judgement Day
05. Lost In Paradise
06. Listen Up
07. Sealed Off
08. Drown
09. World Of Pain
10. Mr. Hyde
11. Faceless World
Line-up:
Vocals – Christian Döring
Guitar – Jeremy Vollmert
Guitar – Jan Ackerschott
Bass – Sascha Drendel
Keys – Kevin Ax
Drums / Backing Vocals – Nikolas „Uli“ Hoffmann
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