Mit dem 9-Euro-Ticket zum Black Hand Inn: Das Rockharz 2022 im Zeichen von Running Wild

Running Wild © Kommodore Johnsen

 

Geschrieben von Oliver Heberling

Rockharz Open Air // 6. – 9. Juli 2022. Zwei Jahre Warten haben ein Ende: Es ist wieder Festival-Saison. Viele Besucher:innen konnten es kaum erwarten und nutzten daher bereits die Früh-Anreise am Dienstag. Während meine Mitstreiter:innen bereits am Mittwoch unser Camp aufbauten, musste ich noch beruflichen Verpflichtungen nachkommen. Stattdessen brach ich also erst am Donnerstag in aller Früh mit dem Zug in Richtung Harz auf. Den Eröffnungstag u. a. mit den großartigen EVIL INVADERS und ihrem fantastischen neuen Album habe ich daher leider verpasst. Wenigstens verpasste ich so auch den wirklich schlechten Teil des Donnerstags-Wetters.

Dark Tranquillity © Kommodore Johnsen

Das ROCKHARZ 2022 stand in unserem Camp von Beginn an ganz im Zeichen des Freitag-Headliners RUNNING WILD. Der Kult-Status der Band ist enorm und das weltweit. Für ein mittelgroßes Festival wie das ROCKHARZ war es daher eine große Ehre, nach lediglich zwei Deutschland-Shows seit dem Comeback in Wacken 2015 und 2018 dieses Jahr den einzigen Deutschland-Auftritt von Rock ’n‘ Rolf und seinen Mannen ausrichten zu dürfen. Ich schwang mich also Donnerstags früh mit dem 9-Euro-Ticket in den ÖPNV und konnte nach neun Stunden und sechs Umstiegen das Flugplatz-Gelände in Ballenstedt entern. Etwas Sucharbeit später hatte ich mein Camp gefunden und mein Bändchen am Arm und fand mich schon zu DARK TRANQUILLITY vor der Bühne wieder. Die solide von gern gehörten Klassikern gespickte Performance gab einen unterhaltsamen Anstoß für ein durchweg herrliches Wochenende. Den Rest des Abends hieß es alte Bekannte wieder zu treffen und sich von den aufwendigen Bühnenshows von SUBWAY TO SALLY und POWERWOLF berieseln zu lassen.

ENDLICH war der große Tag gekommen. Zumindest für uns und einen Kern an Fans. Denn wie sich in Gesprächen mit diversen anderen Festivalbesucher:innen vermehrt herausstellte, war nicht allen bewusst, was sie am Freitag für ein Highlight erwarten würde. Unter denjenigen, die extra oder hauptsächlich wegen RUNNING WILD angereist waren, befanden sich jedoch einige Die-Hard-Fans. Einer meiner Mitstreiter war extra mit seiner Frau aus Paraguay hergeflogen, nur um das erste Mal in seinem Leben RUNNING WILD live zu sehen. Auch aus dem europäischen Ausland ließen sich viele Fans nicht lumpen, extra für ihre heißgeliebte Band anzureisen. Sie sollten nicht enttäuscht werden. Da sich mein Camp aus Mitgliedern der Metal Pirates zusammensetzte, war das Fanclub-Treffen um 14 Uhr gesetzt und passte für mich perfekt zwischen die fest eingeplanten Death-Metal-Walzen des Vor- und Nachmittags.

Deserted Fear © Kommodore Johnsen

BURDEN OF GRIEF aus Kassel machten nicht nur für mich, sondern für den gesamten Tag den Anfang. Der Mix aus Melo-Death der Göteborg-Schule und an Iron Maiden angelehnte Riffs war ein genialer Auftakt. Spätestens jetzt wusste ich, was ich in drei Jahren ohne Open Air-Festival vermisst hatte: Sich aus dem Zelt quälen und ohne Frühstücks-Grundlage bei schönstem Sonnenschein die ersten Bier trinken und Metal hören. Dem Bier gebührt an dieser Stelle ein besonderes Augenmerk, denn als alteingesessene Harz-Urlauber freuten wir uns wie Honigkuchenpferde auf das angekündigte Hasseröder Fürstenbräu – ein Träumchen! Nach dem unfassbar guten Gig folgte etwas weiteres, das die Festival-Pause vermissen ließ: Das Schlendern über die (Non-)Food-Stände. Ein „Pile of Skulls“-Shirt zum halben Preis später fand ich mich zum Essen (die Vielfalt des Angebots ist wirklich lobenswert!) vor dem Black Hand Inn wieder. Denn, die Veranstalter:innen hatten sich kurzerhand dazu entschlossen, das Mutantenstadl zur RUNNING WILD-Taverne umzutaufen. Eine charmante und liebenswürdige Nuance, die von viel Wertschätzung für die Anwesenheit der Band zeugt. Sie sollten es mit einer Foto-Session am frühen Abend auf dem Balkon des Black Hand Inn zurückzahlen.

Running Wild © Kommodore Johnsen

Bevor am Nachmittag DESERTED FEAR mit gewohnt fettem Sound die Fans an der Darkstage wegfegen sollten, stand das Treffen mit den Metal Pirates an. Aus verschiedenen Ecken Deutschlands und der Welt reisten Fans und Club-Leader Frank Fuchs und mit Stephan Boriss (Bassist auf den ersten drei Alben Gates to Purgatory, Branded and Exiled und Under Jolly Roger) und Oliver Otto (Bandmanager – danke für den geilen Pin!) ehemalige und aktuelle enge Wegbegleiter von RUNNING WILD an, um gemeinsam zu fachsimpeln, herrliche Anekdoten auszutauschen und sich bei ein paar Bier auf die Show einzustimmen. Menschen, die sich selten sehen, aber z. B. zum Shirts und Bootlegs traden seit Jahren rege austauschen – Menschen, die seit Jahrzehnten ihre Liebe zu einer Band teilen und deren Hingabe mit Kilometergeld nicht aufzuwiegen ist. Zur geplanten Fotosession der Band am Black Hand Inn wurde sich wieder versammelt, bevor es endlich hieß: „Friday night, dressed to kill, hell bent for the show.“ 

RUNNING WILD toppten alles von mir bisher bei den beiden Wacken-Shows gesehene – an Spiellaune und Bühnenshow. Rock ’n‘ Rolf ging offen auf das Publikum zu und heizte zu „Branded and Exiled“ auch mal die Menge an. Ausgelassen ritten Crowdsurfer:innen den Sturm und die Menge tobte zu Über-Klassikern wie „Bad to the Bone“ und „Under Jolly Roger“. Aber auch die neuen Songs pflegten sich ungewohnt gut ins Set ein. Zu „Soulless“, „Conquistadores“ und „Raise your fist“ als Zugaben gab sich kein Fan die Blöße – ein Glück ließen unsere Dads uns zur Show gehen! 😉

Betontod © Kommodore Johnsen

Nachdem der Abend im Anschluss festival-typisch mit dem Versacken in einem anderen Camp erst um sechs Uhr früh geendet war, schälte ich mich zur Mittagszeit wieder aus dem Zelt. Unter dem Pavillon vor ebenjenem ging es mit dem Versacken gemeinsam mit unseren Camp-Nachbar:innen alsbald weiter. Dass die eigentlich angepeilten TANKARD bereits vorbei und der nächste Fixpunkt INSOMNIUM nahezu rum waren, verriet lediglich der Blick auf das nur punktuell angeschaltete Handy. Zu meiner Jugendliebe BETONTOD ließ ich mich aber nicht lumpen und hetzte zum Festivalgelände. Sie haben sich in den letzten 30 Jahren zu mehr als einer Szenegröße gemausert und brachten gewohnt ihre Familia selbst mit, um gemeinsam zu Feiern.  Die Punkrock-Helden aus Rheinberg – wo ich meine gesamte Schulzeit verbrachte – überzeugten mit einem kompakten und zielsicher gewählten Querschnitt-Set ihrer Hits. Chapeau – alles richtig gemacht, um die Menge am frühen Abend des letzten Festival-Tags nochmal ordentlich in Tanzlaune zu bringen. 

Da TESTAMENT eine Stunde später mit Sound-Problemen zu kämpfen hatten, verließen wir frühzeitig das Infield und kehrten erst spät zu ACCEPT zurück. Deren Gig war solide – auf mich wirken ACCEPT ohne Udo Dirkschneider aber einfach wie eine Wolf Hoffmann & Friends-Coverband. Das Medley aus „Demon´s Night / Starlight / Losers and Winners / Flash Rockin‘ Man“ war aber dennoch ein Highlight. Zwischen den Shows nutzten wir die Gelegenheit um im Dunkeln auf die direkt am Festplatz gelegene Teufelsmauer zu wandern. Die Felsformation vermittelt einen tollen Eindruck von der Schönheit des Harzes – den ich nun endlich auch mal mit Festivalfeeling verbunden besuchen konnte.

ROCKHARZ: ein fettes Dankeschön an alle, die dieses geile Wochenende möglich gemacht und einem über tausende Kilometer angereisten Menschen das Konzert seines Lebens verschafft haben!

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