Geschrieben von Katja Maeting
Band: Neverland In Ashes
Album: The Human Experience (EP)
Genre: Modern Metal /Metalcore
Plattenfirma: unsigned
Veröffentlichung: 13. Dezember 2019
Es hat einen Grund, warum ich unseren stellvertretenden Chefredakteur im jährlichen Team-Interview fragte, ob er schon Bands erlebt hat, bei denen Studio-Produktionen und Live-Performance absolut auseinander laufen. Ich kenne da nämlich auch so einen Fall. Neverland In Ashes sind eine dermaßen geile Live-Band, dass alle bisherigen Studio-Releases (immerhin zwei Alben und eine EP) dagegen irgendwie blass wirkten. Auch wenn seit dem letzten Album „Conversation“ der Job am Mikro von Julian Jung übernommen wurde, dessen Foto unbedingt in den Wiki-Eintrag zum Thema Rampensau gehört. Und als es dann noch hieß, auf der neuen EP „The Human Experience“ würden ausgediente Clean Passagen eine Rolle spielen…schob ich das Thema Review erstmal auf die lange Bank.
Mit sich rapide näherndem Release-Termin näherte sich dann auch der Punkt, an dem ich wohl in den sauren Apfel beissen musste. Und überraschenderweise stellte sich dieser als ziemlich knackig und genießbar heraus. Nicht nur, dass die Produktion nochmal deutlich besser ist als bei den Vorgängern, dieses Ding mit den Cleans funktioniert auch ganz gut, auch wenn Neverland In Ashes damit und dadurch doch einiges an Zugeständnissen an die breite(re) Masse machen und etwas von ihrer Unverwechselbarkeit hergeben.
Herausgekommen ist eine abwechslungsreiche Mischung, die bei „The Sentinel“ den NIA-Stil mal Richtung Metalcore verschiebt und mit deutlich mehr Melodieanteilen arbeitet, als man das bisher kannte, aber trotzdem noch reichlich Härtestruktur mit einzieht. „Stardust“ hingegen startet mit bekannter aggressiver Energie und Frontmann Julez shoutet und keift mit Hochdruck in bewährter und begeisternder Weise. Die Instrumental-Linien sind dicht verwoben und bilden dieses unnachahmlich komplexe Geflecht, dass sich dann im ausgedehnten, cleanen Refrain leider auflöst und verwechselbar wird, auch wenn die Backing-Shouts noch etwas Halt geben.
Eine absolute Überraschung ist „Aloha ‚Oe“ und soweit ich weiß auch ein Novum in der NIA-Geschichte. Neverland In Ashes machen eine Ballade – und die ist auch noch richtig gut. Der durchgehende Klargesang wird stellenweise von weiblichen Vocals unterstüzt, musikalisch baut sich der Song stufenweise immer weiter auf, verwebt stetig das Riffing und entwickelt zunehmend mehr emotionale Dichte, die sich dann im Breakdown und einer kurzen geshouteten Passage entlädt. Gerade diese Gegensätze geben dem Song seinen besonderen Charakter.
„Carry On“ reiht sich mit reichlich Blastbeats, harten Stakkato-Riffs und reichlich gutturalen Parts wieder auf der „Aufs Maul“ Seite ein, die von „Draw The Line“ als unangefochtenem König angeführt wird. Hier fusionieren alter und neuer NIA-Sound in Perfektion und man weiß schon beim Hören, wie bei dem Song der Pit explodieren wird, denn hier machen garantiert alle mit. Die kurzen Clean Passagen sind perfekt zum Luftholen, bevor der Track mit seinen drängenden Instrumentallinien und den charakteristischen Shouts um einen herum förmlich explodiert. Und für Nostalgiker wie mich bieten die Jungs zum Ausklang dann noch „SOS“ an, eine Nummer im alten Stil ohne übermäßigen Clean Anteil, dafür mit reichlich NIA-Faktor.
Insgesamt bin ich mit der neuen EP „The Human Experience“ am Ende dann doch glücklicher als befürchtet. Klar bewegen sich NIA gerade mit den erweiterten Clean Parts teils deutlich Richtung Metalcore und damit erhöhter Kompatibilität, aber auch wenn sie einige Trademarks zurückschrauben, krempeln sie sich nicht komplett um. Wie das Ganze dann live funktioniert, bleibt natürlich abzuwarten (zumindest ich hab die neuen Songs noch nicht in der Praxis erlebt), aber zum ersten Mal konnten mich Neverland In Ashes im Heimgebrauch überzeugen, auch wenn ich die eine oder andere liebgewonnene musikalische Eigenart (und den gefühlt unerschöpflichen Vorrat an Blastbeats) vermissen werde.
Von mir gibt es 7,5 von 10 Hellfire-Punkte
Trackliste:
01. The Sentinal
02. Stardust
03. Aloha ‚Oe
04. Carry On
05. Draw The Line
06. SOS
Line-up:
Julian Jung – Vocals
Milan Steinbach – Guitar
John Marynczak – Guitar
Tobias Welschenbach – Bass
Mario Althapp – Drums
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Website von Neverland In Ashes