Geschrieben von: Marco Gräff // Fotos by gräffiX
Neuborn – Wörrstadt. HEY NOAF! hieß es dieses Jahr bereits zum 14. Mal. Seit 2005 veranstaltet die Verbandsgemeinde Wörrstadt dieses kleine Festival, was ursprünglich als soziales Jugend-Projekt gedacht war. 2008 wurde den Veranstaltern sogar der „Sonderpreis für ein herausragendes Jugendprojekt“ vom Landesinnenministerium Rheinland-Pflaz verliehen. Seitdem hat das Festival nichts von seinem Charme und der familiären Atmosphäre verloren. Fast 300 ehrenamtliche Helfer sorgten dafür, dass das Neuborn Open Air Festival (NOAF) 2018 am Ende zum ersten Mal ausverkauft war! Beste Voraussetzungen für das kleine Jubiläum 2019, für das schon als erste Band ‚Tankard‘ bestätigt wurde!
Mit 42€ zahlte man 2018 vier Euro mehr als noch im Jahr zuvor, um an zwei Tagen 15 Bands live zu sehen, zu campen oder Sonntags ins nahegelegene Neuborn-Bad schwimmen zu gehen. Das werden dieses mal die wenigsten im Anspruch genommen haben, dafür war das Wetter zu kalt. Das Line-Up war wieder bunt gemischt und so gab es auch diesmal vom Retrorock über Thrash zu Punk, Hardcore und Melodic Death Metal für jeden Freund der harten Klänge was zu genießen.
Bevor es um 15 Uhr losgehen sollte, hatte ich die erste Gelegenheit mich auf dem sonnigen Festivalgelände umzuschauen. Ähnlich wie im Jahr zuvor gab es ein paar Merchandise Stände, die vor allem Patches, Shirts, CDs oder andere Accessoires verkauften. Das Zelt für die Gastronomie schien mir in diesem Jahr etwas größer als zuletzt. Das Angebot dort war wieder reichlich und äußerst günstig.
Wie in den Jahren zuvor nicht unüblich, eröffnen an beiden Tagen jeweils regionale Acts das Festival. Am Freitag wurde diese Ehre der Mainzer Band ALL ITS GRACE zu teil. Die Melodic Death / Meltalcore Band hatte sich Wochen zuvor beim NOAF Bandcontest die meisten Stimmen erspielt und gewann diesen. Die Freude darüber war vor allem Sänger Tobi anzumerken, der einen wirklichen Aktivposten auf der Bühne darstellte. Ihr Material erinnerte mich zeitweise an ‚Heaven Shall Burn‘ und somit genoss ich jede Sekunde der 40 Minuten, welche die Band nutzte um immer mehr Leute vor die Bühne zu holen. ALL ITS GRACE haben einen würdigen Opener abgegeben.
Mit COUNTERPARTS aus Kanada ging es musikalisch in eine etwas andere Richtung. (Melodic) Hardcore war angesagt. Ehrlich gesagt wirkten die Musiker auf der Bühne eher wie eine Schülerband, was in erster Linie am jugendlichen Aussehen lag. Doch die Band existiert schon seit 2007 und hat auf Facebook stattliche 180.000 Follower. Von Sänger Brendan Murphy gab es nicht all zu viel zusehen, meist versteckte er sein Gesicht unter der Kapuze und hinter einer Sonnenbrille. Er war dann auch der einzige wirklich Agile auf der Bühne, der Rest gab sich eher zurückhaltend. Auch sonst war das recht eintönige Konzert nicht gerade eine Bewerbung um neue Fans zu sammeln. Nach 40 Minuten war auch dieses Intermezzo vorbei.
Danach wurde es dann amtlich. WARBRINGER aus den USA machten mal richtig Dampf auf der Bühne. Nach einem ‚Motörhead‘ Song als Intro rollte eine Thrash Walze über den Neuborn, wie man es sich nicht besser hätte wünschen können. Fünf Mann auf der Bühne, die richtig Bock hatten die Bretter in Schutt und Asche zu legen. Das Publikum ging mit, feierte die Band mit Circle Pits und Moshorgien. Der perfekte Sound trug sein übriges dazu bei. Ganz klar die Entdeckung meinerseits beim diesjährigen NOAF!
Dann sollte mein Highlight des Tages folgen. Und DESERTED FEAR lieferten wie gewohnt ab. Nach dem obligatorischen Intro von ‚Bon Jovi‘ („You give love a bad name“ 🙂 ) brach die Hölle über Wörrstadt herein. „Kingdom of worms“, „Face your destiny“, „My empire“, „Field of Death“ und natürlich „Bury your dead“. Allein „Open their gates“ habe ich vermisst. Das nächste mal vielleicht wieder. Es macht einfach Spaß dem Thüringer Quartett zu zuschauen und zu hören. Perfekter Sound, alle bestens aufgelegt und den ein oder anderen Spruch auf Lager. Zum Glück nicht so daneben wie in Wacken 😉 . Die Menge feierte gut, und gegen Ende flog noch eine Banane auf die Bühne, nachdem Gitarrist Fabian diese im Backstagebereich bereits vermisst hatte. Eigentlich sollte die Übergabe später bei der Autogrammstunde stattfinden. So gab es eine Flugeinlage der gelben Art.
In eine ganz andere Richtung ging es dann wieder mit den Norwegern von AUDREY HORNE. Die haben mich auch positiv überrascht. Eine geile Mischung aus Melodic Rock und Hard Rock, die einfach Spaß machte und gute Laune verbreitete. Eine Stunde lang hatten sie die Menge im Griff, hauten einen Hit nach dem anderen raus und ich war schon erstaunt wie textsicher die meisten hier vor der Bühne waren. Ganz klar ein weiteres Highlight an diesem Freitag.
Danach wurde es dunkel und eigentlich perfekt für die Show für Berlins Vorzeige Retro Rocker KADAVAR. Mit Licht wurde erst mal gespart, aber nicht am Sound und einer perfekten Show. Nach wie vor zieht der Mix aus Psychedelic und 70s Rock die Massen. Und der gut gefüllte Platz wusste das zu schätzen und feierte ordentlich mit. Eine denkwürdige Show und der heimliche Headliner des Freitags.
Programmmäßig war das aber die Hardcore Legende SICK OF IT ALL aus New York. Die Band um die beiden Koller Brüder, die seit über 30 Jahren die Fahnen des „East Coast Sound“ hoch halten, wurde nicht müde ihren Vorreiter Status hervorzuheben. Musikalisch war das natürlich erste Sahne, was die US Amerikaner hier ablieferten, und auch auf der Bühne gaben die Jungs alles. Doch den ein oder anderen Seitenhieb hätte sich Sänger Lou Koller schenken können. Soll er doch froh sein, dass auch die jüngere Generation Gefallen an „Old School“ findet, selbst wenn diese auf Grund ihres Alters selbst nicht „Old School“ sein können. Und ja, wir wissen, das SICK OF IT ALL zu den bekanntesten Vertretern des Hardcore gehören.
Danach war erst mal Schluss. Der Freitag war gelaufen. DESERTED FEAR und KADAVAR konnten den Erwartungen stand halten, ALL ITS GRACE gaben den perfekten Opener und WARBINGER und AUDREY HORNE haben sich bei mir festgesetzt. Auch der Rest wusste mit kleinen Abstrichen zu gefallen, einen richtigen Ausfall habe ich auf dem NOAF bisher sowieso nicht erlebt. Für mich hieß es erst mal ab nach Hause. Der Samstag sollte nicht weniger attraktiv werden.
Und vom Wetter her blieb es erst mal ähnlich. Sonnig und milde 20°. Es sah zwar mal kurz nach Regen aus, der ein oder andere Tropfen fiel auch vom Himmel, doch nicht wirklich erwähnenswert. Jedenfalls war an diesem Samstag Mittag schon recht viel los, was auch daran liegen könnte, dass die meisten im Infield zu Mittag essen mussten, da auf Grund der Dürre grillen nicht erlaubt war. So war es dann auch nicht verwunderlich, das einiges schon bald ausverkauft war. Doch zum Glück betraf das nicht das Bier oder die Schoppen, die es jeweils zu zwei Euro fünfzig gab. Fair und vorbildlich!
Um vierzehn Uhr kam, bzw. rollte die erste Band des Tages auf die Bühne. DENYAL, ebenfalls eine Band aus Mainz, durfte eröffnen. Rollen deshalb, da Gitarrist Swes sich ein paar Tage zuvor am Fuss verletzte und eben nur im Sitzen spielen konnte. Doch diesen Umstand merkte man auf der Bühne nicht wirklich. Ihr Modern Metal / Alternative Metal gefiel mir ausserordentlich. Die junge Band brachte diverse Einflüsse mit in den Sound und klang richtig frisch. Sänger Dave war die Freude jede Sekunde anzumerken, war es wohl schon lange ein Wunsch von ihm, hier auf dem NOAF zu spielen. Und später am Merch wollten nicht wenige die an diesem Tage veröffentlichte, erste EP „Rising“. Da ist in Zukunft noch einiges zu Erwarten. Daumen hoch für DENYAL!
Die beiden folgenden Acts hatten dann schon wieder etwas „Exoten Status“, wage ich mal zu behaupten. P.O. POX überraschten als Ska Band mit Posaune und Trompete und einer wilden Punk Orgie. Der Gitarrist agierte etwas lahm und lustlos, der Rest dagegen war kaum zu bremsen. So richtig nachhaltig war das ganze aber nicht und ermüdet von dem „Geblase“ zog es mich eher in Richtung „Shopping Meile“.
Ein wenig besser wurde es für mich dann mit der Punk Band STREET DOGS aus Boston. Lag auch daran, dass mich die Musik sehr an die „Dropkick Murphys“ erinnerte, was natürlich auch nahe lag. Sänger Mike McColgan gehörte eben jenen bis 1998 noch an und gründete nach seinem Ausstieg im Jahr 2002 mit dem ehemaligen „Dropkick“ Schlagzeuger Jeff Erna die Band STREET DOGS. Auch wenn hier wieder eher statisch auf der Bühne agiert wurde, musikalisch war das schon ansprechender, Circle Pits sorgte für ordentlich Staub in der Mittagssonne und Sänger McColgan kletterte sogar die Bühne nach oben.
Mit METAL INQUISTOR sollte dann endlich auch mal klassischer Heavy Metal auf dem Neuborn zu Hören sein. Die Band aus Koblenz freute sich sichtlich und versuchte erst gar nicht Hochdeutsch zu reden. Schließlich würde man das hier auch so gut verstehen. Witze über fehlende Haarpracht war ebenso an der Tagesordnung. Musikalisch erreichte man mehr als 1.000 Leute, und die verlangten danach. Party war angesagt, der erneut perfekte Sound und die Spielfreude der Band erzeugten Zugabe Rufe, die auf Grund des strammen Zeitplans aber nicht umgesetzt werden konnten. Bleibt zu vermerken, dass METAL INQUISTOR doch mehr Zuspruch erhielten, als ich mir im Vorfeld ausgemalt hatte.
Danach gab es soundtechnisch wieder eine radikale Richtungsänderung. Erst einmal lag es an DEVILDRIVER, die Bühne auf dem Neuborn kurz und klein zu hacken. Trotz etwas schlechterem Sound und mies abgemischten Gesang hatten die Fans vor der Bühne keine Scheu, dem Melodic Death Metal zu folgen und das ordentlich zu feiern. Mosh und Circle Pits waren keine Ausnahme. Eine knappe Stunde gab die Band aus Kalifornien alles und bereitete somit die Bühne für den folgenden Act.
Mit THE BLACK DAHLIA MURDER sollte es dann noch brachialer zu Werke gehen. Das war Geknüppel pur, eine Blast Beat Attacke jagte die nächste und unterschwellig gab es dann auch noch die Melodien, für die der Melodic Death so bekannt ist. Im Großen und Ganzen war das schon eine Ansage und Herausforderung für die anwesenden Gäste. Eine Stunde Metal extrem, und den meisten hat es dann doch gefallen. (Mich inbegriffen)
Wieder etwas ruhiger wurde es dann mit den Epic Power Metallern von ORDEN OGAN. Da sich Sänger Seeb am Daumen verletzt hatte, und somit keine Gitarre spielen konnte, übernahm Bassist Niels die sechssaitige und ließ den Tieftöner im Koffer. Obendrein musste er sich noch Witze seiner Kollegen anhören. Als Co-Headliner hatte die Band aus Arnsberg ein leichteres Spiel als die beiden „Knüppelheimer“ zuvor. Der zweite Tag war doch mehr was für die klassischen Metaller, die ich etwas in der Überzahl sah. Auf jeden Fall konnten ORDEN OGAN auch mich begeistern, mit ihrer Musik und der recht aufwendigen Bühnengestaltung.
Dann kam der Auftritt, dem ich sehr skeptisch entgegen trat. SAMAEL aus der Schweiz haben eine lebhafte Vergangenheit hinter sich, die von vielen Stiländerungen geprägt ist. Vom klassischen Black Metal norwegischer Art über Industrial zu rein elektronischen Werken zieht sich ihre Discografie. Mit dem aktuellen Album „Hegemony“ besinnen sich die vier Mann wieder auf ihre Stärken. In Wacken durfte ich noch erleben, wie man unter dem „Decknamen“ W.A.R. die ersten beiden Alben „Worship him“ und „Rituals“ spielte. Somit hatte ich Hoffnung, dass der ein oder andere Song aus der Zeit auch hier in das Set finden würde. Aber leider nein. Doch immerhin spielte man vieles von den wegweisenden Platten „Ceremony of opposites“ und „Passage“.
„Son Of Earth“, „Baphomets throne“, „Ceremony of opposites“, „Rain“, „Shining Kingdom“, oder am Schluss „My Saviour“. Diese Klassiker fügten sich nahtlos in die Reihe der neuen Stücke wie „Black supremacy“ oder „Angel of wrath“. Wie ich finde, ein geniales Konzert, deren Meinung nicht alle waren. Zu speziell ist diese Art des Indusrtial Black Metal, und die Tatsache, dass es kein richtiges Schlagzeug auf der Bühne gab. Auch wenn XY an den Keys (und dem halben Drumkit) alles gab. Viele Gäste verließen vorzeitig das Gelände. Was aber nicht an der Performance der Band lag. Einfach an der Art der Musik, die nicht jeder mag.
Da sollten die Organisatoren mal nachdenken, ob man nächstes Jahr als Headliner nicht stärkere Zugpferde setzt. Letztes Jahr war das gleiche bei ‚Paradise Lost‘ zu sehen. Anders 2016 mit „Dirkschneider“ und „Arch Enemy“. Da war es bis zu Schluss voll. Doch letztenendes haben die NOAF Macher alles richtig gemacht. Zum ersten Mal durfte man „Ausverkauft“ melden. Und das ist auch gut so!
Zwei Tage, die schnell vorbeigingen, einen bunten Mix an Rock und Metal boten und nur glückliche Menschen hinterließ. Keine Zwischenfälle oder bösen Worte konnte ich vernehmen. Auch schön zu sehen, zwischen den einzelnen Gigs „flohen“ die Gäste unter die Zelte oder zu den Merchständen. Oder es ging zum Karlsberg Automaten um bei lustigen, interaktiven Spielen Preise zu gewinnen. Jedenfalls weiß ich jetzt wo die ganzen Luftgitarren herkamen. Und zwar aufgeblasen aus eben diesem Automaten.
Ich kann mein Fazit aus dem letzten Jahr eigentlich nur wiederholen. Das NOAF ist ein kleines, feines Festival, welches sich langsam im Kalender etabliert. Im nächsten Jahr gibt es die 15. Auflage und ich bin jetzt schon gespannt, wen man an Bord holt. Das NOAF punktet mit gemütlichem Ambiente und einer familiären Atmosphäre die es so in der deutschen Festivallandschaft wohl kaum ein zweites Mal gibt. Hoffen wir mal, dass es noch ein paar Jahre so weiter geht! HEY NOAF!
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All Its Grace
Counterparts
Warbringer
Deserted Fear
Audrey Horne
Kadavar
Sick Of It All
Denyal
P.O. Box
Street Dogs
Metal Inquisitor
DevilDriver
The Black Dahlia Murder
Orden Ogan
Samael
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