Keine Band, kein Plattenlabel oder Veranstalter. Nein… heute stellen sich unsere Teammitglieder dem Quick5-Interview. Mal schauen, was wir von Jörg erfahren.
Der Chef-Etage mal mit Fragen auf den Keks gehen – ein Traum 😉 Dieses Jahr hat’s unseren stellvertretenden Chef-Redakteur Jörg erwischt. Normalerweise leitet er meine berüchtigten verschachtelten Fragen an die Bands weiter (und bemitleidet sie wahrscheinlich dafür, dass sie diese Romane beantworten müssen), jetzt darf er selber mal testen, wie sich das anfühlt.
Katja: Du bist ja schon so lange in Sachen Musikmagazin(e)/Konzertfotografie unterwegs, dass wir intern schon Rollator-Witze reißen, wenn’s darum geht, dass die Chefs zusammen nach Wacken wollen 😉 Weißt du eigentlich noch, welches Konzert du als erstes fotografiert hast? Wie bist du eigentlich überhaupt auf die Idee gekommen, bei schlechtem Licht in Fotogräben rumzukrabbeln?
Jörg: Jepp, dank meiner akribischen Ordnungssucht in Sachen Musik kann ich sagen, dass das Rock Pop in Concert 1983 in der Dortmunder Westfalenhalle das erste Konzert war, bei dem ich fotografiert habe. Damals allerdings nur als Fan aus dem Publikum heraus, vielmehr von der Tribüne. Die Fotos sind dementsprechend unteririsch und kaum zu ertragen. Damals durfte man noch als Zuschauer mit Spiegelreflex Kameras in die Konzerthallen. Allerdings hatte ich gerade mal ein 135er Objektiv… Was die Filme anging, habe ich immer 400er genommen (was heute kaum noch jemandem etwas sagt).
Mitte der 80er bin ich dann beim Bonner Fanzine „Live Wire“ eingestiegen und habe die Leitung des Mags nach kurzer Zeit übernommen. Von da an war auch das Fotografieren aus dem Fotograben möglich. Es war toll, Bilder von Bands zu schießen, die man liebte und die man bis dahin nur aus der Presse kannte.
Was das Licht damals angeht: da es noch keine LEDs gab, wurde mit herkömmlichen Scheinwerfern ein recht angenehmes Licht auf der Bühne fabriziert, mit dem deutlich besser zu arbeiten war, als es heute der Fall ist. Geringe Lichtstärke der Filme und Objektive relativierten die guten Bedingungen allerdings gewaltig. Und, das darf man nicht vergessen: man hatte lediglich 36 Aufnahmen zur Verfügung; ein Filmwechsel im Fotograben war zeitlich einmal möglich; also 72 Aufnahmen, von denen mindestens 60 für die Tonne waren: verwackelt, zu dunkel usw. usw.
Katja: Ein weiterer Running Gag ist ja mein Musikgeschmack, an dem du regelmäßig verzweifelst 😉 Wie stark laufen bei dir eigentlich Konzertfotografie und Musikgeschmack parallel, sprich: fotografierst du abseits von Festivals nur (Haupt-)Bands, die deinen Hörvorlieben entsprechen oder probierst du da auch mal was aus? Und welche Bands außerhalb deines normalen Beuteschemas konnten dich bisher überzeugen?
Jörg: Ich bin ein Jäger und Sammler; frag mal meine Frau, die verzweifelt daran. Alles, von dem es mehr als zwei gibt, sind für mich schon würdigt, gesammelt zu werden (was ich aus Zeit- und Platzgründen natürlich nur bedingt umsetzten kann). Somit ist auch das „Sammeln“ von fotografierten Bands eine Sache, die mich antreibt. Klar, vorrangig hab ich so meine „Wunschliste“, was und wen ich noch fotografieren will. Auf der einen Seite wird die Liste kleiner, auf der anderen Seite kommen natürlich auch neue Wunschkandidaten dazu.
Ich habe festgestellt, dass eine Menge Bands, die musikalisch nicht so auf meiner Wellenlänge liegen, sehr geil zu fotografieren sind. Oft bin ich von meinen Wunschkandidaten enttäuscht, weil sie kaum Action auf der Bühne bringen und erst recht nicht mit uns Fotografen „spielen“. Es ist klasse, wenn Musiker Dich im Graben sehen und mit Dir interagieren; so hat man als Fotograf auch die Gelegenheit, einzigartige Pics zu bekommen. Na ja, und die Knüppelbands, auf die z.B. unsere Kollegen Marco, Sven oder Susanne abfahren, sind fototechnisch meist der absolute Hammer. Das macht richtig Spaß; die Musik geht dann irgendwie an mir vorbei: ich sehe dann nur die Typen auf der Bühne.
Und was das Thema Supportbands betrifft: hier habe ich schon viele geile Bands kennengelernt. Zum anderen sind oft „Wunschbands“ auch nur als Supports zu bekommen; da nehme ich gerne alles mit, selbst wenn mich der Hauptact gar nicht interessiert.
Katja: Da du ja sowohl fotografierst als auch Reviews schreibst und generell auch viel Musik hörst, wie sind deine Erfahrungen, wenn es um Album und Live Performance von Bands geht? Ist da das Niveau oft deckungsgleich oder gibt es auch Kandidaten, wo beides auseinanderdriftet? Gibt es Bands, die man unbedingt live gesehen haben muss, bevor man sich ein Urteil bildet?
Jörg: Manchmal driften Album- und Live Performance stark auseinander und die Konzerte sind dann sehr ernüchternd. Manchmal ist es genau umgekehrt. Und dann gibt es die Fälle, da will man sich einfach nicht eingestehen, dass der Live Auftritt scheiße war, weil man einfach zu sehr an der Band hängt; das sind dann Kompromisse für und an sich selbst. Ich habe so etwas schon mit Saxon oder Ozzy erlebt; und dieses Jahr hat mich so etwas wieder ereilt, als ich Whitesnake gesehen habe: ich will auf David Coverdale einfach nix kommen lassen, aber nüchtern betrachtet war das Konzert im Kölner Palladium einfach eine große Enttäuschung!
Was die Urteilsfindung angeht: Man kann im Vorfeld schlecht einordnen, ob man eine Band erst live gesehen haben muss, bevor man sich die Alben reinzieht.
Ich habe aber des Öfteren die Erfahrung gemacht, dass mich ein Live Auftritt erst auf eine Band aufmerksam gemacht hat; dann sehe ich zu, dass ich die Alben bekomme… Und dann erst stellt sich raus, ob Live und Studio für mich dasselbe Niveau aufzeigen.
Katja: Apropos Reviews, gerade in der Anfangszeit des Hellfire hast du ja Rezensionen quasi quer durch den Genre-Garten geschrieben, da das Team ja noch ziemlich klein und die Arbeit damals schon viel war. Wie oft musstest du dir danach die Gehörgänge „durchspülen“ und welche Band/welches Album geht bei dir immer, um den Kopf wieder frei zu kriegen?
Jörg: Das Problem für mich war, dass ich von bestimmten Richtungen einfach keine Ahnung hatte (und auch heute nicht habe) und das deshalb nicht anständig bewerten konnte, was da so aus den Boxen kam. Am Anfang hatten wir aber unsere „Spezialisten“ nicht, und da musste ich das eine oder andere Mal in den sauren Apfel beißen, und Alben rezensieren, die für mich komplett unverständlich waren. Objektivität gab es dabei nicht, obwohl ich immer versucht habe, möglichst fair zu bleiben. Im Nachhinein wäre es wahrscheinlich besser gewesen, diese Rezis nicht zu schreiben. Ich habe die Dinger dann in meinem Kopf anschließend recht schnell ad acta gelegt; vielleicht auch, damit mich mein schlechtes Gewissen nicht fertigmacht.
Katja: Langsam wird’s ja auch Zeit für die guten Vorsätze 2020 😉 Was möchtest du im musikalischen Bereich nächstes Jahr unbedingt erleben, wen fotografieren? Und welches Erlebnis deiner bisherigen Tätigkeit ist so ein bisschen der Maßstab für alles, sei es nun, weil es besonders beeindruckend, lustig oder ernüchternd war?
Jörg: Oh Mann, das ist nicht einfach zu beantworten: Vorsätze für 2020? Erst einmal meinen Anteil an der Arbeit fürs Hellfire konstant zu halten und uns mit unserem klasse Team weiter voranzubringen. Für mich persönlich besteht der Wunsch, noch ein paar meiner Faves fotografieren zu können, was aber nun mal gar nicht – oder nur sehr bedingt – in meiner Hand liegt.
Rainbow mit Ritchie Blackmore steht da ganz weit oben auf meiner Liste; habe ihn beim Loreley Konzert 2016 leider nicht aus dem Graben ablichten können.
Priest würde ich nach 1988 auch noch einmal gerne vor die Kamera bekommen; aber da sehe ich ein, dass Dirk als ultimativer Fan immer die Nase vorn hat.
Beeindruckend und ernüchternd zugleich war für mich im Juni das Kiss Konzert in Essen: ernüchternd, weil ich keine Foto Akkreditierung hatte; das hat mich extrem traurig gestimmt, weil ich ein tierischer Fan der Band bin. Beeindruckend, dass Kiss mal wieder eine äußerst geile Produktion auf die Beine gestellt haben, und dass ich aus dem Front Stage Bereich dank einer 150 Euro teuren Karte und einer 08/15 Kamera aber dann doch noch einige Bilder schießen konnte, mit denen ich durchaus zufrieden bin. Und das Wichtigste für mich, dass ich die Band auf der Abschiedstour das erste (und wahrscheinlich letzte) Mal fotografieren konnte.
Lustig? So richtig lustig finde ich Bands, die sich selber nicht so ernst nehmen und das Publikum neben ihrer Musik gut unterhalten. Stop Stop, die im September für Soto eröffnet haben, waren mehr als lustig; viel Klamauk und beste Unterhaltung des Publikums. Kaum einer kannte die Band vorher, aber niemand wird sie je vergessen.
Und auch Iron Savior sind ein Kapitel für sich: neben der überzeugenden musikalischen Performance, sind die Ansagen von Bandkopf Piet Sielck und Basser Jan Soereen Eckert teilweise zum Wegschmeißen; das muss man echt erlebt haben. Jan nimmt gegenüber Piet eine vermeintlich sehr devote Haltung ein, dass man manchmal meint, gleich küsst er ihm die Füße. Und Piet schafft es neben seinen urkomischen Ansagen (die manchmal noch nicht einmal geplant erscheinen), hier und da ein wenig Slapstick einfließen zu lassen: und das mit Sicherheit unbeabsichtigt. Oder hat man schon mal von einer Band gehört, die in den nächsten Song einsteigen will und der Sänger/Gitarrist auf einmal entdeckt, dass er den Jammerhaken seiner Klampfe vergessen hat, den Set unterbricht, in die Garderobe läuft, und schraubend wieder auf der Bühne erscheint und weitermacht? Für mich unbezahlbar
Interview: Katja Maeting