Ich gebe zu, ich bin einfach verdammt neugierig. Während der Recherche zur Rezension von „Survivors“ (hier nachzulesen), dem Debütalbum der Berliner Punk Rock Band Ryv Law, hatte ich Frontmann Denn’is schon mit einigen Fragen gelöchert. Dabei hatte sich mein Eindruck bestätigt, dass Ryv Law ein außergewöhnliches und interessantes Projekt sind. Und Denn’is war gerne bereit, sich mit mir u.a. über die Entstehung und die Zukunft der Band zu unterhalten und einen Einblick in das Gesamtprojekt Ryv Law zu geben.
HF: Auch wenn ich in meiner Review gesagt habe, die Überlegung sei müßig, frage ich mich trotzdem, was war zuerst da, Ryv Law oder Raise Your Voice Like A Weapon? Und warum ausgerechnet dieser Name?
Denn’is: Wir haben einen Namen gesucht, der „Revolution“ schreit, aber das am besten nicht zu plump. Einige Ideen waren im Raum, aber nichts, worauf wir uns einigen konnten. Dann kam ich auf die Idee „Voices of Mass Destruction“, in Anlehnung an „Weapons of Mass Destruction“, also Massenvernichtungswaffen. Statt Waffen halt die Stimme. Ich erklärte das anhand einer Billy Talent Textzeile. Da heisst es im Song „Viking Death March“: „Raise your voice like a weapon til they fall to the ground“. Dan sagte: „Dann nehmen wir doch das. Raise Your Voice Like A Weapon, kann man dann auch als Ryv Law abkürzen.“ So blieb es dann auch. Das Problem ist, dass man immer den Bandnamen buchstabieren muss, sonst wissen die Leute ja nicht, wie sie uns im Netz finden. Das hatten wir nicht bedacht. (lacht)
HF: Die Band wurde 2012 von Dan und dir gegründet. Mit welchem musikalischen Background seid ihr an die Sache herangegangen und wart ihr euch von Anfang einig, wie sich Ryv Law anhören soll ?
Denn’is: Im Endeffekt ohne jeglichen Background. Wir haben beide relativ spät mit unseren Instrumenten angefangen. Von Zeit zu Zeit hatte ich immer mal wieder mit verschiedenen Leuten über das Internet Kontakt aufgenommen, um ein wenig zu jammen. Nach einer kleinen Phase der Abstinenz wollte ich wieder zur Gitarre greifen und eine Band gründen, einfach zum jammen und zusammen besser werden. Dan meldete sich auf die Anzeige, wir begannen zu proben und nach mehr Leuten zu suchen. Mein ursprüngliches Ziel, irgendwann mal vor drei Leuten in irgendeinem Keller zu spielen, haben wir hinter uns gelassen und die neuen Ziele wurden dann auch immer größer.
Genauso unorientiert ging es auch mit dem Sound der Band los. Es sollte irgendwie Punk sein. Aber man kann fünf Bands hören, alle klingen anders und die meisten würden das dann trotzdem Punk nennen. Ich finde, unsere EP „Generation Why“ spiegelt das super wieder. Es sind vier Songs auf der EP und alle klingen komplett anders. Das waren unsere ersten Songs und da wir selbst nicht wussten wohin, haben auch die Songs keine Linie. „Gray“ haben wir als letzten Song auf der EP geschrieben und er zeigt schon die Richtung, in die es dann gehen sollte. Die Reise zum Stil war also in Schlangenlinien.
Einige Dinge im Sound sind aber auch durch die Produktion begründet. Das damalige Studio war nicht optimal für das, was wir eigentlich machen wollten. Die Verantwortlichen kannten, konnten und wollten nicht das, was wir wollten. Sie hatten ihre Vorstellung des Sounds und haben diese umgesetzt. Ob und wie das gefällt, dass muss jeder Hörer der alten EP dann selbst entscheiden.
HF: Warum habt ihr euch für Englisch entschieden und für eine gesellschaftskritische Grundausrichtung der Songs? Gerade Punk in allen möglichen Facetten funktioniert hierzulande ja auch auf Deutsch und auch mit „weicheren“ Themen.
Denn’is: Vermutlich war das einfach nur entsprechend unserer eigenen Hörgewohnheit. Dan und ich haben beide eher Musik in englischer Sprache gehört und dann sehr früh beschlossen, dass es Englisch werden soll. Hin und wieder habe ich überlegt, wie wir wohl auf Deutsch klingen würden, aber das hat sofort einen ganz anderen Klang, rein vom Sound der Sprache her. Dazu kommt, dass sich für mich die eigenen Texte in Deutsch irgendwie albern anhören.
Punk sollte, in meinen Augen, eine kritische Meinung beinhalten. Für mich ist das Teil der Punk-Musik wie der Powerchord. Das ist natürlich nicht richtig und von Pop-Punk zu deutschem Rotze-Punk wandern wir da sowieso vom einfachen Pop-Text bis zur Erklärung, warum Saufen richtig geil ist. Wenn man schon, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Bühne hat, dann kann man wenigstens versuchen, eine Botschaft zu übermitteln, in der es nicht nur um Herzschmerz geht, sondern die die Menschen auch zum Nachdenken anregt.
HF: Ihr seid ja multi-medial unterwegs und lasst euer Publikum auf Facebook und YouTube am Bandleben und an der Bandentwicklung teilhaben. Ihr haltet eure Proben in Videos fest, postet Vlogs von euren Auftritten und auch bei der Arbeit im Studio konnte man euch über die Schulter gucken. Wie kamt ihr auf die Idee, als Newcomer euer Bandprojekt so umfangreich aufzuziehen? Und wieviel Überwindung kostet es eigentlich, quasi jeden Erfolg und jeden Fehler zu dokumentieren oder auch überhaupt vor der Kamera zu agieren? Gerade in der Anfangszeit konntet ihr euch ja auch noch nicht sicher sein, ob und welches Feedback ihr dazu erhaltet.
Denn’is: Wenn man sich bei kleinen Bands umsieht, dann posten diese oft nur alle drei Monate einen kurzen Text oder ein Bild. Manchmal ist man sich nicht sicher, was die im Detail machen oder ob die überhaupt noch was machen. Wieso sollte man sich als potenzieller Fan auf diese Band einlassen? Veröffentlicht haben sie auch noch nichts oder vielleicht ein paar Songs von geringer Audioqualität. Ohne Lebenszeichen kein Interesse von außen. Da wir selbst auch kein Material hatten, um uns zu zeigen und zu bewerben, mussten halt Alternativen her. Außerdem bin ich selbst ein riesiger Fan von Band-, Studio- und Tour-Dokus. Das steigert extrem die Sympathie zu den Leuten, man weiß, wer die sind und wie sie denken und schon hat man Interesse an ihnen und ihrer Musik.
Überwindung war da gar nicht so nötig. Im Zweifel sieht es keiner, man kennt uns ja eh nicht. Wenn es dann doch viele Leute gesehen hätten, dann entweder, weil es so schlecht ist, dass man es teilen muss oder weil es so gut ist, dass man es teilen muss. Da uns der Internetfame bis jetzt entgangen ist, sind wir wohl irgendwo dazwischen.
Natürlich freut man sich sehr über jeden, der die Videos guckt und verfolgt und über jeden, der einen neu entdeckt. Das kann aber nicht der Antrieb sein, denn dafür ist die Masse einfach nicht erreicht, als das die Interaktion mit den Zuschauern der einzige Gewinn sein könnte, den man aus den Videos zieht. Ich sehe das als eine Form von Erlebnis-und Erinnerungsspeicher. Manche Leute öffnen nach Jahren ihr Fotoalbum, blättern durch und erinnern sich an die damaligen Zeiten. Wir haben dazu die Videos und können nochmal in diese geilen Momente und besonderen Erfahrungen eintauchen. Dadurch bleibt alles greifbarer.
HF: Das Ganze bedeutet ja auch einen enormen zeitlichen und technischen Aufwand. Macht ihr das alles selber oder erhaltet ihr da Unterstützung von anderer Stelle? Und musstet ihr euch dafür extra besondere Kenntnisse aneignen oder habt ihr z.B. einen beruflichen Background, der da hilfreich ist?
Denn’is: Das stimmt. Wenn man keinen Bock auf so eine Umsetzung hat, kann ich es auch niemanden empfehlen, damit anzufangen. Es kostet sehr viel Aufwand, Zeit und natürlich Geld. Wir haben keine Unterstützung bei der medialen Umsetzung der Band, das läuft ebenfalls in Eigenregie. Mit Videoschnitt hatte ich mich schon einige Zeit beschäftigt, daher war mir das Thema nicht fremd. Mit der Zeit wurde die Kamera und vor allem das Wissen in Sachen Nachbearbeitung dann immer besser. In dem Sinne war das alles nur Spaß an der Freude und learning by doing. Auch der Umgang bzw. das Reden vor der Kamera wurde gewohnter und flüssiger. Nicht das wir jetzt zu Moderationsexperten geworden wären, aber es schult doch sehr im freien Reden.
HF: Euer Album „Survivors“ ist ein Konzeptalbum, aber definitiv nicht der herkömmlichen Art. Das fängt bei der Themenauswahl an, setzt sich über das geniale Booklet der CD fort und findet seine Krönung in zwei thematisch passenden Musikvideos (Apocalypse, Light of Hope). Verdammt viel Aufwand für eine Band ohne großes Label im Rücken als Unterstützung. Wie kam die Zombie-Idee zustande und hattet ihr von Anfang vor, euer Debütalbum in so großem Rahmen aufzuziehen oder wie hat sich das entwickelt?
Denn’is: Ohne jegliches Label im Rücken! Ja, das war wirklich viel Aufwand. Konzeptalbum stand für mich eigentlich immer im Raum. Beim Thema schwankte ich zwischen der Zombie-Thematik und einer weiteren. Die Zombie Analogie hat mir in der Zeit aber am besten gefallen. Der Kampf ums Überleben, der Zusammenbruch der bekannten Strukturen und des Wertesystems, das hat so viel Potenzial. Daher war es ein super Ansatz, um unsere Welt und unsere Probleme in solch einer Welt zu spiegeln und darzustellen.
Das Album sollte schon immer groß und episch werden. Wenn man etwas anpackt, dann richtig. Dass es ein geiles Studio werden sollte, das stand schon immer fest. Dass dann diese geilen Musikvideos noch dazu kamen, das war wirklich Glück. Da kannten die richtigen Leute die richtigen Leute und die hatten auch noch Zeit und Bock auf so ein Projekt, inklusive einer Menge Talent und Herzblut für ihre Kunst. In dem Sinne haben wir da die gleiche Mentalität gehabt. Bock etwas großes zu machen, egal wie, es musste passieren. Und es passierte dann auch und diese Musikvideos sind einfach ein Hammer geworden. An so einem Set zu drehen, mit Leuten die auch richtig Bock auf das Endresultat haben, war eine der geilsten Erfahrungen, die wir bis jetzt gemacht haben.
HF: Da du gerade sagst, du hattest auch noch eine weitere Thematik fürs Album im Kopf, heißt das, ihr macht euch schon Gedanken über ein weiteres Album? Oder ist das erstmal unbestimmte Zukunft? Und wollt ihr die Konzeptstruktur weiterführen oder würde euch auch ein „normales“ Album genügen? Wie sehen denn bisher eure Pläne für 2018 aus, gibt es schon konkrete Konzerttermine und können wir uns vielleicht noch auf ein weiteres Video von der Zombie-Apokalypse freuen?
Denn’is: Nein, wir machen uns dazu, gemeinsam jedenfalls, noch keine Gedanken. Bestimmt hat jeder die ein oder andere Idee für einen Part oder einen Song im Ärmel, aber konkret gibt es keine Planung oder Arbeiten an neuem Material. Für mich steht jedoch fest, wenn es ein weiteres Album gibt, dann wäre das für mich wieder ein Konzeptalbum. Die Möglichkeiten was Songwriting, das Texten und das gesamte Konzept um so ein Album angeht, sind einfach zu geil, als das ich mir ein „normales“ Album vorstellen könnte. Aber wie gesagt, darüber machen wir uns im Moment noch keine Gedanken.
Musikvideos sind zwar gedanklich in der Planung, aber keine Zombie-Musikvideos mehr. So geil das Ganze auch ist, die Zeit, aber auch das nötige Kleingeld, wäre nicht mehr vorhanden. Manche Leute fahren in den Urlaub, wir drehen halt Zombie-Videos und bei beiden Dingen gibt es immer ein Maß an Möglichkeiten. Im neuen Jahr möchten wir der Welt erstmal unser aktuelles Album zeigen und damit überzeugen. Also viel live spielen und sonstige Möglichkeiten nutzen, um Leute zu erreichen. Darauf konzentrieren wir uns fürs Erste.
HF: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich wünsche euch für die Zukunft alles Gute und bin gespannt, welche Idee ihr als nächstes umsetzt.
Interview:Katja Rohloff
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