Geschrieben von Michi Winner
Band: Sabaton
Album: The Great War / The Great War (History Edition)
Genre: Power Metal
Plattenfirma: Nuclear Blast Records
Veröffentlichung: 19. Juli 2019
Gibt es eigentlich nur Schwarz und Weiß, wenn es um Sabaton geht? Verfolgt man die aktuellen Aussagen und Meinungen zum neuen Album, kommt es einem zumindest so vor. Schauen wir mal, ob es auch für mich nur Hass oder Liebe gibt.
Das vorletzte Album „Heros“ lief bei mir rauf und runter, während „The Last Stand“ fast an mir vorbei ging. Um jetzt das neue Werk direkt dem ulitmativen Test zu unterziehen, habe ich es als Lauf-Playlist genutzt. Erste Erkenntnis: Das Album ist zu kurz. Ich hasse es, wenn ich beim Joggen Songs mehrfach hören muss, dadurch habe ich noch mehr das Gefühl, dass die Zeit nicht vergeht. Ansonsten war die History Edition, für die ich mich entschieden habe, durch die Erläuterungen und Hintergründe zwischen den Songs, eine gute Ablenkung vom ewig gleichen Trott. Hier liegt übrigens auch der einzige Unterschied zwischen den Versionen. Die „normale“ Version beschränkt sich schlicht auf die Songs, ohne die nette Sprecherin zwischendurch.
Unsere Reise beginnt im Jahr 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und einem Song über die neuartige Kriegsführung „dank“ technischem Fortschritt. Stilistisch bleiben sich die Schweden treu, mit keyboardlastigem Power Metal, der sofort ins Ohr geht. Der Fokus liegt wie gehabt auf dem Gesang von Joakim Brodén mit seiner markanten Stimme. Die auch nicht neuen Chöre im Chorus sorgen für den epischen Effekt und geben noch mal zusätzlich Power. Auch der zweite Track „Seven Pillars of Wisdom“ bleibt stilistisch in diesem Bereich und einige Passagen erinnern stark an die oben bereits erwähnte „Heros“, in die er sich nahtlos einfügen würde, sogar thematisch. Positiv sticht für mich hier das sehr ausgiebige Gitarrensolo hervor, auch wenn das ebenfalls keine Neuerung ist. Hier reiht sich ein Déjà-vu ans nächste. „82nd All the Way“ hört sich fast an wie „To Hell and Back“, sieht man mal vom Intro ab. Ich bin einerseits froh, dass Sabaton sich so treu bleiben, aber das ist doch ein bisschen viel Ähnlichkeit zu den alten Songs.
Der Vorteil ist ganz klar der immer annähernd gleiche Rhythmus, der mich beim Laufen schön antreibt, wobei ich bei „Devil Dogs“ fast aus dem Tritt geraten wäre vor Schock. Ich konnte förmlich sehen, wie ganz Abgebrühte hier versuchen Disco Fox zu tanzen. Mitten im Song, so bei ca. 2 Minuten, kommt ein Part mit einem wuchtigen Backing-Chor und nicht nur bei mir weckt die Passage Assoziationen zu „Verdammt, ich lieb dich“ von Herrn Reim. Leider ist dieses gewaltige Epos auf die US-Marines insgesamt so gut arrangiert und konzipiert, dass es dennoch mein Lieblingstrack auf diesem Album ist. Mit „The Red Baron“ geht es für mich zurück zu den Flashbacks und ich bin gedanklich voll bei „Night Witches“.
Textlich ist die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg hervorragend umgesetzt, besonders in der History Edition mit ihren kurzen Überleitungen wird das Ausmaß dieser Tragödie deutlich. Unabhängig von der musikalischen Gestaltung, die durch ihre Wucht und Melodieführung in Teilen eine Glorifizierung des Themas suggeriert oder zumindest so wahrgenommen wird, sind die Texte neutral und sachlich gut recherchiert. Es gibt auch hier kein Gut und Böse, alle Kriegsparteien und ihre „Helden“ werden auf diesem Album, wie auch schon bei den Vorgängern, gleich behandelt.
Beeindruckend finde ich die Atmosphäre, die bei „Fields of Verdun“ geschaffen wird. Es beginnt schon bei der Einleitung: „Here, they shall not pass“. Na, wer muss hier noch an Gandalf in Moria denken? Verdun ist für mich der Inbegriff dieses Krieges und wird hier als die Materialschlacht dargestellt, die es war. Besonders bewegt mich die Textzeile „father and son fall one by one“. Besser kann man das nicht beschreiben. Auch der Song in seiner Gesamtheit bringt mehr neuere Elemente und hört sich nicht an, als wäre er nur aufgewärmt worden. Ein wahres Meisterwerk.
Nach einem 4-jährigen Marsch durch blutgetränkte Felder nähern wir uns nun dem Ende. „The End of the War to End All Wars“ ist eine musikalische Zusammenfassung aller Grauen, die dieser Krieg über Europa und die Welt gebracht hat und eine leicht wehmütige Erinnerung, dass dies eben nicht das Ende aller Kriege war. Hier kommen wieder Chöre zum Einsatz, um diesem Track den nötigen Hauch Dramatik zu verpassen. Nach diesem Krieg bleibt nur die Trauer, entsprechend endet „The Great War“ mit einem Requiem, das mit Sicherheit nicht nur mich berühren dürfte.
Sabaton spaltet mit diesem Album nicht ganz zu Unrecht die Gemüter. Es ist immer schwer sich treu zu bleiben und dennoch anders zu klingen als bisher. Hier ist das nur phasenweise gelungen. Vieles erinnert sehr stark an alte Songs. Dennoch ist dieses Album in sich stimmig, sehr gut produziert und die Songs perfekt aufeinander abgestimmt.
Daher gibt es von mir 8 von 10 Hellfire-Punkten.
Trackliste:
- The Future of Warfare
- Seven Pillars of Wisdom
- 82nd All The Way
- The Attack of the Dead Man
- Devil Dogs
- The Red Baron
- Great War
- A Ghost in the Trenches
- Fields of Verdun
- The End of the War to End All Wars
- In Flandern Fields
Line Up:
Hannes Van Dahl – Drums
Joakim Brodén – Lead Vocals
Pär Sundström – Bass
Tommy Johansson – Lead Guitar
Chris Rörland – Lead Guitar
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