In den letzten Jahren haben wir unseren Lesern kurz vor Jahresende hintergründige Einblicke in unser Team gegönnt, indem wir uns gegenseitig interviewt haben.
Irgendwann sind die wichtigen Dinge gesagt und weitere Interviews untereinander liefen Gefahr, unsere Leserschaft zu langweilen.
Deshalb haben wir dieses Jahr in der Vorweihnachtszeit beschlossen, Euch unter dem Titel Schicksalsalben zu zeigen, welche Alben uns derart stark beeinflusst haben, dass unser weiterer Weg im Bereich Hard ‚n‘ Heavy fortlaufen musste.
Bei Olivers musikalischer Sozialisierung nehmen eine ortsansässige Punkband und die Stadtbibliothek einen Sonderstatus ein. Lest selbst, was Olli zu erzählen hat.
Was meine Liebe zu härteren Klängen angeht hatte ich nicht das Glück, dass meine Eltern meiner musikalischen Orientierungslosigkeit eine Linie vorgegeben hätten. Meine Mutter hatte zur damaligen Zeit eine Vorliebe für Pur und wir teilen uns bis heute hauptsächlich die sanften Gitarrenklänge von Reinhard Mey als musikalische Schnittstelle. Die härteste Band, die mein Vater mir beigebracht hat waren die Dire Straits, die ich ebenfalls bis heute verehre. Ihr seht: den Punk (in diesem Bereich konnte ich wenigstens von meinem älteren Bruder und noch älteren Cousins ein Wenig was lernen) und Metal musste ich auf anderem Wege erkunden.
Das rotzigste und dreckigste an Punkrock was mir zum damaligen Zeitpunkt als pubertierender Rebell ohne Grund zu Ohren kam, stammte aus der Kleinstadt selbst, in der ich aufwuchs. Aus Rheinberg. 2001 veröffentlichten Betontod ihr zweites Album Stoppt uns wenn Ihr könnt. An dieses Album geriet ich durch den Vater zweier Freunde, mit denen ich vom Skaten über Basketball und Metal bis zum Gangster-Rap alle Versuche als Teenager irgendwie cool zu sein durcherprobte. Er, selbst Musiker, hat den vielfältigsten Musikgeschmack und das flächendeckendste Musikwissen, die mir bis zum damaligen Zeitpunkt unterkamen. So war es nicht verwunderlich, dass er Zugang zum heißesten Eisen der Rheinberger Musikszene hatte. Das provokante Albumcover, die aussagestarken, sozialkritischen und weitgehend populistischen Texte, coole Snippets aus Matrix und Pulp Fiction gepaart mit Songs die rough und wütend gegen alles das falsch läuft und autoritär ist wettern: was will man mehr, um allen zu Hause den letzten Nerv zu rauben?! Mit Schwarzes Blut schafften es Betontod dann 2006 ihr absolutes Meisterwerk rauszuhauen. Trotzdem behält Stoppt uns wenn Ihr könnt seinen Sonderstatus als Dosenöffner.
Die gleiche Faszination weckten auch Metallica. Als Kind und Jugendlicher verbrachte ich sehr viel Zeit in der Stadtbibliothek, die sich direkt angrenzend an das Gymnasium auf das ich ging, befindet. Dort durchstöberte ich Tag ein Tag aus das CD-Regal und stolperte über …and justice for all. Den zynischen Albumtitel verstand ich damals nicht auf Anhieb. Doch das Artwork mit der blinden Justizia, an der aus allen Richtungen gezerrt und gerissen wird, bis ihre Waage voller Geldscheine aus dem Gleichgewicht gerät ließ mich nicht los. Genauso das ikonische Bandlogo. So nahm ich irgendwann diese CD einfach mal mit nach Hause und legte sie in meinen CD- und Kassettenspieler ein. Ich war geflashed. „Blackened“ blies mir die Gehörgänge so sauber, wie es kein Q-Tip bis dahin geschafft hatte. So etwas hatte ich noch nicht gehört. Immer und immer wieder lieh ich mir die CD aus der Bibliothek aus, bis ich auf die Idee kam, sie mit meiner Kompaktanlage auf MC zu überspielen. Die Kombination aus Härte und Komplexität war genial und faszinierte mich. Sie tut es bis heute. Auch wenn ich die alte selbst aufgenommene MC-Kopie nicht mehr besitze ist …and justice for all für mich Metallicas Magnum Opus und eines meiner Top Ten-Lieblingsalben aller Zeiten. Gefühlt zeitgleich sah ich auf MTV das martialische Gefängnis-Video zu St. Anger, das mit seinen Mülltonnen-artigen Drums meine musikalische Tür in Richtung Take a look in the mirror von Korn und Vol. 3 (The subliminal verses) von Slipknot aufstieß…