Alle Jahre wieder…. ist es soweit, dass Hellfire-Team scheut keine Mühen, euch die Adventszeit mit einem „Special“ zu verkürzen. In diesem Jahr präsentieren wir euch ein paar, von vielen womöglich längst vergessene Bands und deren Alben, für die sich unsere Redakteure bis heute begeistern. Viel Spaß damit…
Geschrieben von: Mathias Keiber
Band: Agents of Oblivion
Album: Agents of Obivion
Genre: Swamp Rock / Psychedelic Rock / Grunge
Label: Rotten Record
Veröffentlichung: Januar 2000
Schonmal von Dax Riggs gehört? Falls ja, bist Du vermutlich genauso von dem Mann begeistert wie ich. Falls nein, Gratulation! Wenn du willst, dann kannst Du Dich jetzt das Werk eines Mannes erkunden, das in seiner Qualität und Vielfalt wohl beispiellos ist.
Riggs’ erste Band hieß Golgotha und veröffentlichte 1991 das Album “Wet Dreams of the Insane”. Darauf zu hören war eine ziemlich abgefahrene Mischung aus Thrash und Sludge Metal. Aus Golgatha ging alsbald Riggs’ bekannteste Band hervor, Acid Bath, die den mit Golgotha begonnen Stilmix ausbaute und auf die Spitze trieb: “When the Kite String Pops” von 1994 und das zwei Jahre später veröffentlichte “Paegan Terrorism Tactics” gehören zum raffiniertesten, was im Metal jemals abgeliefert wurde. Von Blues Rock bis Death Metal ist hier alles vertreten. Bis heute gelten die Alben im Underground quasi als heilige Grale. Und eigentlich hätten beide Alben hier auch Thema sein können. Denn außerhalb des Undergrounds sind sie weitgehend unbekannt. Ich habe mich dennoch für ein anderes entschieden. Für das, mit dem ich Dax Riggs kennen lernte.
Nach dem tragischen Unfalltod seines Bassisten Audie Pitre löste Riggs Acid Bath 1997 auf. Drei Jahre lang war nichts von ihm zu hören. Dann meldete er sich im Jahr 2000 mit einer neuen Formation und einer neuen stilistischen Ausrichtung zurück: Agents of Oblivion hieß die Band, genauso wie das einzige Album der Band auch. Und den Moment, als ich es zum ersten Mal hörte, werde ich vermutlich nie vergessen. Es war an einem 1. November irgendwann in den 2010er Jahren. Ich hatte Spätschicht und lief zur Arbeit. Wie immer mit Kopfhörern auf den Ohren. Ich war erst ein paar Schritte gegangen, wenige Meter von unserem Hoftor entfernt, als ich plötzlich stehen blieb, ja, stehen bleiben musste. So ergriffen war ich vom ersten Song auf dem Album, dem tieftraurigen “Endsmouth”. “It’s only the end of the world again”, sind Riggs darauf, mit einer Stimme, die so viel Seele hat, dass ich nicht nur Gänsehaut bekam. Mir schossen die Tränen in die Augen. In mir machte sich Melancholie auf eine Art und Weise breit, als hätte sie mich schon länger ergreifen wollen, als hätte ich sie vorher zu lange unbewusst ausgesperrt gehabt. Es war einer der Momente, in dem einfach alles passt: Es war Herbst, es wurde gerade dunkel, ich war alleine und wusste, dass ich die nächsten Stunden alleine in einem Großraumbüro sitzen würde.
Das tat ich dann auch. Letztendlich musste ich ja arbeiten. Meine Kopfhörer nahm ich aber erstmal nicht ab. Ich weiß nicht mehr, wie viele Male am Stück ich das Album an diesem Abend hörte. Wenn die Musik aufhörte, drückte ich einfach wieder auf “play”. Weil mich das Album in diese melancholische Stimmung versetzte, aus der ich einfach nicht mehr raus wollte. Die Arbeit lief gut, quasi nebenher. Mein Antrieb in diesen Stunden waren aber ganz klar die 13 auf “Agents of Oblivion” versammelten Songs. Stilistisch fallen diese verglichen mit Golgotha oder Acid Bath übrigens deutlich weniger Metal-lastig aus. Metal ist das hier genau genommen gar nicht. Im Prinzip handelt es sich um psychedelisch angehauchten Swamp Rock, der von der Klangästhetik auch gut in die Grunge-Szene gepasst hätte. Überhaupt: Wäre “Agents of Oblivion” Anfang der Neunziger erschienen, wäre Riggs nicht aus New Orleans sondern aus Seattle, man hätte aus dem Album einen Millionenseller machen können. Denn das Songmaterial steht dem ganz großen Grunge-Klassiker in absolut gar nichts nach. Genauso könnte man den Gesang von Riggs mit dem von Eddie Eddie Vedder vergleichen. Nur dass Riggs deutlich mehr Farbe in der Stimme hat, deutlich natürlicher klingt, deutlich ungezwungener – kurzum: dass er deutlich besser als Vedder ist. Ja, ich weiß. Das sind große Worte. Aber kleinere hat Riggs für das, was er mit seiner Band auf diesem Album veranstaltet, einfach nicht verdient.
“Agents of Oblivion” ist ein spitzenmäßiges Album, ein über 60-minütiger Ausdruck roher, unverhohlener Emotion, gekrönt von schlicht fantastischen Songs wie “Endsmouth”, “Dead Girl” oder “Cosmic Dancer”. Für mich war es der süchtig machende Einstieg in die musikalische Welt von Dax Riggs. Der nach Agents of Oblivion erst als Deadboy & the Elephantmen und dann unter seinem eigenen Namen weitere herausragende Alben veröffentlichte, dabei zusehends sanfter wurde. Sein letztes Album erschien 2010. Es heißt „Say Goodnight to the World“. Man darf den Titel wohl als seinen Abschied verstehen. Denn seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört.
Tracklist:
01 Endsmouth
02 Slave Riot
03 A Song That Crawls
04 Dead Girl
05 Phantom Green
06 The Hangman’s Daughter‘
07 Ladybug
08 Ash of the Mind
09 Wither
10 Paroled in ’54
11 Anthem (for this haunted city)
12 Cosmic Dancer
13 Big Black Backwards
Weitere Infos:
https://www.shop.rottenrecords.com/shop
https://daxriggs.bandcamp.com/album/say-goodnight-to-the-world