Geschrieben von Katja Maeting
Band: Sleep Token
Album: Sundowning
Genre: Alternative Metal/Progressive Metal/Electro/Pop
Plattenfirma: Spinefarm Records
Veröffentlichung: 22. November 2019
Irgendwie hatte ich ja schon ein bisschen Angst. Da Sleep Token bisher komplett an mir vorübergegangen waren, schaute ich mir erstmal die Facebook-Seite der Band an, bevor ich mir ihr Debütalbum „Sundowning“ anhörte – und befürchtete das Schlimmste.
Kein Line-up, keine Namen, keine Gesichter. Stattdessen schwarze Roben, Masken und überall Begriffe wie Worship, Servants und dergleichen. Während ich also überlegte, welchem meiner dem Schwarzmetall zugeneigten Kollegen ich diese Band wohl aufschwatzen könnte, beschloss ich, zumindest mal reinzuhören – und blickte danach ein paar Minuten irritiert zwischen meinem Monitor und dem Music Player hin und her. Denn was die Herren (zumindest der singende Anteil der Band ist definitiv männlich) da erschaffen haben, hat nichts mit meinen schlimmsten Befürchtungen zu tun, sondern stellt sich als dichtgewobene, teils fast schon ätherische Melange aus meist sanften Klängen, schönen Gitarrenmelodien und Synthie-Linien, einer meist dezent aber stabil agierenden Rhythmusfraktion und großartigen Stimmen heraus.
Der Albumname ist dabei an das neurologische Symptom angelehnt, welches oft im Zusammenhang mit Demenz und ähnlichen Erkrankungen auftritt. Mit Sonnenuntergang treten vermehrt Zustände der Verwirrung und dergleichen ein. Und pünktlich zum Sonnenuntergang haben Sleep Token seit Juni alle zwei Wochen einen neuen Song mit jeweils eigener Visualisierung veröffentlicht. Diese auch in kompletter Eigenständigkeit funktionierenden Stücke vereinen sich nun auf dem Debütalbum der mysteriösen Band, die ich im angelsächsischen Raum verorten würde.
Es setzt sich zusammen aus zwölf Tracks mit individueller Persönlichkeit, die aber zugleich auf verschiedenste Weise verbunden sind und zusammen ein wunderbares Mosaik ergeben. Der Opener „The Night Does Not Belong To God“ arbeitet mit Synthie-Elementen, die sich als formgebendes Motiv durchziehen, mehrstimmigem Gesang und breitgefächerten Riffs, die von der Rhythmusfraktion gestützt werden und bewegt sich, wie einige Songs auf „Sundowning“, im breitgefächerten Balladenkosmos. „The Offering“ arbeitet dagegen mit deutlich breiterer Klangwucht, setzt diese aber in beständigen Kontrast zu fragilen Momenten und bringt so mehr Dynamik mit sich und dreht zum Ende hin mit wuchtigen Gitarrenklängen in eine komplett andere Richtung.
Was Sleep Token aber anscheinend ganz besonders gut können, ist, großartige echte Balladen zu schreiben. Voller Emotion, mal kraftvoller, mal eher zerbrechlicher Natur, getragen von perfekt verwobenen Instrumentallinien und großartigen, facettenreichen Stimmen der unbekannten Sänger, so präsentieren sich Tracks wie „Levitate“ oder „Give“ und stellen damit alles in den Schatten, was so im Radio läuft. Auch „Higher“ zeigt, dass Emotion definitiv ein wichtiger Bestandteil aller Songs ist. Der Song startet entfrachtet mit Stimme und Gitarre, baut zunehmend immer mehr Intensität auf, die sich dann in proggy angehauchte Melodielinien entlädt und den Prozess, dominiert von den großartigen Vocals, immer wieder von vorne anstößt.
Das man sie aber nicht zu schnell in eine Schublade stecken sollte, beweisen Stücke wie „Gods“, die fast schon Metalcore-Naturell aufweisen. Harte Riffs, Breakdown-Strukturen und reichlich aggressiv aufgeladene Shouts rütteln den Hörer auf und rufen aufwühlende Unruhe hervor, bevor eine Klavier-Passage wieder die Sleep Token Trademarks einstreut und zeigt, dass man es hier nur mit einer anderen Facette der Band zu tun hat. Auch „Say That You Will“ baut ein paar dieser Härte-Elemente stimmig ins Gesamtbild ein. Der letzte Song „Blood Sport“ beendet das Debüt von Sleep Token, stellt den Gesang deutlich in den Vordergrund und kommt, wie so einige Nummern, durchaus radiotauglich rüber, aber wesentlich authentischer. So authentisch, dass man die tränenerstickte Stimme am Ende auch als echt akzeptiert.
Sleep Token haben mich mit ihrem Debüt sehr überrascht – auf positive Weise. Musikalisch dürften sie zwar nicht unbedingt dem Kerngeschäft des Hellfire-Magazins entsprechen, aber wer es auch mal etwas ruhiger mag, der sollte sich die mysteriöse Band definitiv gönnen. Perfekt für diese Jahreszeit, in der man hoffentlich die Zeit hat zur Ruhe zu kommen. Einlullend ist hier aber absolut garnichts, sondern eher in einem beständigen Fluss gestaltet, mit Untiefen, Sandbänken und durchaus auch Stromschnellen, die das Ganze zu einem abwechslungsreichen Hör-Erlebnis machen.
Von mir gibt es 9 von 10 Hellfire-Punkten
Trackliste:
01. The Night Does Not Belong To God
02. The Offering
03. Levitate
04. Dark Signs
05. Higher
06. Take Aim
07. Give
08. Gods
09. Sugar
10. Say That You Will
11. Drag Me Under
12. Blood Sport
Weitere Infos:
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Website von Sleep Token