Unheilig und The Dark Tenor auf Zeitreise

Text: Gastautorin Jennifer Metternich
Photos The Dark Tenor © Jennifer Metternich (www.facebook.com/lightandshadowreports, www.facebook.com/firebirdsphotos und www.lightandshadowreports.de)
Photos Unheilig: © Unheilig

© Unheilig.com

Im vergangenen Sommer kam sie auf, wie eine Flutwelle. Inzwischen haben die Diskussionen nachgelassen, die Neugierde bleibt jedoch. Die Band des Grafen, gemeinsam bis dessen Rückzug aus der aktiven Musikerzeit als Unheilig unterwegs, geht im kommenden Frühjahr mit einem anderen Sänger auf Tour: The Dark Tenor.

Zugegeben, eine spannende Mischung. Unheilig zählen sich zum Bereich Pop/Elektro-Rock/Neue Deutsche Härte, der Graf stach einst mit seiner besonderen Stimme heraus, gefühlvoll, melancholisch, tief. The Dark Tenor, der nach wie vor namenlose Sänger mit amerikanischen Wurzeln, kommt aus dem Bereich des Classic-Crossovers, hat eine deutlich höhere, aber ebenso gefühlvolle Stimme. Kontroverse Künstler, die in diesem Projekt von den kontroversen Meinungen ihrer Fans begleitet werden.
 
Reichlich Stoff für hitzige Diskussionen

Selten konnte man derart geteilte Lager beobachten: die, die sich auf das Projekt ohne weitere Fragen freuen treffen auf die, die neugierig aber unentschlossen sind und die, die es kategorisch ablehnen. Reichlich Stoff für hitzige Diskussionen unter den Fans, sowohl auf den Seiten von Unheilig wie auch bei den Fans des dunklen Tenors. Zusätzlich findet sich bei den Fans von Unheilig auch immer wieder die Frage, ob jetzt der Graf Unheilig ist oder dies der Name des gesamten Teams, also Sänger und Band ist…
 
Für viele Fans ein no-go

Foto 09.11.17, 11 35 08Seit August folge ich den Diskussionen auf den verschiedenen Seiten, selber bin ich nach wie vor unentschlossen, was ich selber von der Sache halten soll. Vielfach liest man auf den Seiten von Unheilig, dass die Fans das Gefühl haben, es laufe alles nur auf Kommerz aus. Ein Eindruck, den man sicherlich nachvollziehen kann. Nach dem großen Abschied des Grafen folgt gefühlt „Best Of“ um „Best Of“. Songs werden mit anderen Sängern zu Duetten gemischt, teilweise neu interpretiert. Verständlich, dass einige Fans das nicht gut finden, insbesondere die, die Unheilig seit ihren Anfängen begleitet haben. Viele Fans bringen persönliche Dinge mit den Liedern des Grafen in Verbindung, mit seinen oftmals nachdenklich stimmenden Texten. Seine einzigartige Stimme, unverkennbar auf dem deutschen Musikmarkt. Klar gab es auch schon Duette mit anderen Musikern, Helene Fischer und Xavier Naidoo zum Beispiel. Jedoch stellt sich beim aktuellen Projekt das Ganze schon etwas anders dar: ein Sänger, der eh schon die Nation spaltet in Fans, die ihn lieben und Hörer, die am liebsten schreiend laufen gehen würden. Er hat eine sehr gute Stimme, seinen eigenen Stil. Er kann die Stücke des Grafen singen, klar. Klingt aber anders, ganz anders. Während man ihn in den Duetten vom zweiten „Best Of“ kaum raus hört sieht die Welt live ganz anders aus. Es bleibt nicht nur bei den Studioaufnahmen, es wird im kommenden Jahr eine Tour geben. Ohne den Grafen, nur mit der Band von Unheilig und The Dark Tenor als Sänger. Für viele Fans des Grafen ein no-go.

Ich habe die Zeit genutzt, einfach mal mit einigen Fans in Kontakt zu treten. (Anm. d. Redaktion: Die Namen der sprechenden Fans sind geändert, um das Risiko von Shit-Storms zu begrenzen. Die entsprechenden Namen liegen der Redaktion vor.):

Bella findet das Projekt interessant, sie gehört zu den Followern des Tenors. Sie sieht hier eine Möglichkeit für ihren Lieblingssänger, mal etwas Neues auszuprobieren, neue Erfahrungen zu sammeln. Natürlich sei sie skeptisch, sei kein Fan von Unheilig, jedoch habe sie „Guided Under Flag“ am Brandenburger Tor in Berlin live gehört, fand es gut umgesetzt. Bei den Duetten versuche sie, den Grafen auszuklinken, da sie seine Stimme nicht möge, hoffe, dass die Songs bei den Konzerten anders rüberkommen. Sie empfindet seine Stimme als umwerfend, überall herausstechend.

Kathrina gehört zu den kritischen Tenorfans. Ja, sie hört seine Musik gerne, findet aber wie sie sagt im Gegensatz zu den „Hardcore-Fans“ nicht alles gut. Sie denkt, TDT nutzt die Chance, weil sie ihn weiterbringen könnte, karrieretechnisch. Sie glaubt, die Unheilig-Fans lehnen ihn ab, weil er ihnen zu kommerziell wirkt, deswegen nicht zu Unheilig passe. Sie könne auf Duette wie „Sterne hoch“ und „Zeitreise“ gut verzichten. „Er muss es eben machen. Ansonsten könnt er ja nimmer so oft Essen gehen,“ äußert sie mit lachenden Smilies, „und er will ja auch nur leben!“ Sie vermutet, dass beide Seiten einfach ihren Nutzen in der Sache sehen.
 
Karla gehört zu den Fans, die Unheilig von Anfang an auf ihrer Reise durch die Musik begleiten. Sie könne sich die ureigenen Songs vom Grafen nicht von TDT anhören, zu persönlich seien sie, zu eng mit dem Grafen verbunden. Die Duette sind für sie ok, aber eben nur als Duett mit beiden Stimmen, die sie als harmonierend empfindet. Die musikalischen Fußstapfen des Grafen sehe sie als zu groß für den Tenor an, ebenso wie jeden anderen, der sich daran versuche. „Unheilig ist der Graf – der Graf ist Unheilig“, sagt sie ganz klar. Auch findet sie, hätte man das Projekt anders nennen sollen und auch nicht vom musikalischen Erbe des Grafen sprechen, schließlich sei dieser ja nicht verstorben.
 
Jelena hält das ganze Projekt für Unsinn, ohne den Grafen gibt es auch für sie kein Unheilig. Das Projekt sei für sie nur eine Coverband. Der Bariton des Grafen sei es für sie gewesen, der den Klang der Band einzigartig machte. Ein Tenor passe da gar nicht in ihren Augen. Auch findet sie nicht gut, dass das Management bei der Tour-Werbung nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die Tour ohne den Grafen stattfindet, habe Sorge, dass einige Besucher von dessen Anwesenheit ausgehen könnten. Traurig ist sie darüber, dass der Tenor „Unter deiner Flagge“ auch noch auf Englisch singt, der Chorus von „Zeitreise“ ebenfalls. Sie könne das so nicht ertragen, ihre deutschen Lieblingslieder in einer anderen Sprache.

Anja sieht das Thema neutral, findet man muss respektieren, dass jeder einen anderen Standpunkt vertritt.  Grundsätzlich findet sie die Idee gut, dass die Musik von Unheilig auch von anderen Künstlern interpretiert wird, ebenso sieht sie das auch bei anderen Bands. Sie sieht das Problem, dass der Graf mit Unheilig etwas geschaffen hat, dass für viele Fans zu einer ganz persönlichen Sache wurde. Trost, Halt, Zustimmung… das sind Dinge, die die Fans in der Musik von Unheilig fänden. Es sei natürlich, dass es ein schwerer Schlag für eben diese Menschen sei, wenn die Songs plötzlich neu, in einer anderen Sprache, gesungen werden. Auch sei es klar, dass viele kritisch sind, da der Graf nicht beim Projekt dabei ist. Er war immer ein fester Bestandteil in der unheiligen Geschichte. Sie sei selber sehr traurig gewesen, als der Graf seinen Rücktritt bekannt gab. Aber sie sagt auch ganz klar, dass man Projekte wie das kommende nicht von Anfang an verurteilen solle. Schließlich glaube sie, die Band wolle ihren Fans damit einen Gefallen tun. Sie könne sich vorstellen, dass man sich mit dem Tenor schwer tue, weil er aus einem gänzlich andren Genre komme, viele mit ihm nichts anfangen können. Aber die dauernden Diskussionen und Streitereien fände sie unnötig, übertrieben und alles andere als produktiv. Als Fazit sagt sie, findet sie die Idee großartig, man habe immerhin so nochmal die Möglichkeit, die Songs von Unheilig live zu hören und die neuen Versionen von „Zeitreise“ und „Sterne hoch“ seien auch besser als ihre Vorgänger auf „Lichter der Stadt“.

Auf die Reaktionen der Fans gespannt

Es gibt auch die Fans, die das ganze begrüßen, sich freuen. Das muss denke ich hier nicht extra erwähnt werden. Meine Skepsis legte sich ein klein wenig mit dem Besuch des letzten Dark Tenor-Konzertes in Köln. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich selber Unheilig Jahre lang nicht gehört, war „Geboren um zu leben“ der erste Song, den ich beim Weg fahren vom Krankenhaus im Auto hörte. Die Stimme, die Erinnerung, ich mochte es nicht mehr. Die Vorstellung, dass mein Lieblingssänger nun Duette mit eben diesem Grafen singen wollte, gruselig für mich. Die CD-Versionen gefallen mir nach wie vor nicht so richtig, „Sterne hoch“ geht so, er klingt für mich wie ein Backgroundsänger im Schatten des Grafen. Musste er auch schon von mir lesen. Live verhält es sich hingegen anders. Mit den dort gesungenen Liedern „Sterne hoch“ (bei dem allerdings Tränen liefen), „Great Horizon“ und „Guided Under Flag“ holte er mich musikalisch genauso ab wie mit seinen ureigenen Songs. Es klang nicht so sehr nach Unheilig, viel mehr nach The Dark Tenor, weswegen ich nun auch auf die kommende Tour und die dortigen Reaktionen der Besucher extrem gespannt bin.

Unterm Strich darf man mit Sicherheit gespannt sein und sollte sich eine der Shows angucken, anhören, diese erleben, bevor man sie beurteilt. Vielleicht ist es ja doch auch eine positive Überraschung.

Natürlich wollten wir für diesen Artikel auch den Bands ein paar Worte entlocken, sowohl der Unheilig-Band wie auch dem dunklen Tenor. Wie die Künstler dazu stehen, ihre Sicht der Dinge ist, erfahrt ihr in den kommenden Tagen hier beim Hellfire Magazin. Freut euch auf die Interviews!
Ein Satz, der mir als Antwort von den Fans wirklich gut gefiel und einen schönen Abschluss bildet, möchte ich hier nutzen, natürlich mit Absprache der Urheberin Bella: „Die Songs sind ja auch gut und sie am Leben zu erhalten, ist doch auch nicht falsch. Ich sehe das auch nicht als Coverversionen, sondern als eine Zeitreise“.

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Ein Kommentar

  1. Es sorgt soviel für Verwirrung wie oft werde ich angesprochen….woaaa Claudi Ungeilig geht wieder auf Tour!! Und alle denken mit dem Grafen…was mich betrifft ein absolutes No Go.
    Unheilig ohne den Graf für mich unvorstellbar.
    Aber jeder soll machen wie er meint.

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