Text und Fotos: Jenny Hoecker-Mettternich (www.facebook.com/lightandshadowreports, www.facebook.com/firebirdsphotos und www.lightandshadowreports.de)
E-Werk – Köln. Viel diskutiert war sie bereits im Vorfeld, die Tour von Unheilig (Band) mit dem dunklen Tenor. Am 21.04.2018 ging es nach Köln, um selber ein Bild des Projektes zu erhalten, live und in Farbe.
Location war für diesen Abend das E-Werk, eine alte Industriehalle, mit genau diesem Ambiente. Vor dem Eingang hatte sich eine recht lange Schlange gebildet, die jedoch zügig Einlass fand. Innen war es bereits 45 Minuten vor Konzertbeginn sehr voll. Es blieb genug Zeit, um sich ein wenig genauer im Publikum und in der Location umzusehen. Es ist trotz der wunderbar sommerlichen Außentemperaturen noch angenehm in der Halle, die Stimmung im Publikum lässt Gutes hoffen. Das Publikum ist bunt gemischt, Jung und Alt, die einen im Gothic-Outfit, andere in bunter Kleidung. Auf eine bestimmte Besuchergruppe festlegen? Unmöglich. Die Gäste sind ebenso unterschiedlich wie die musikalischen Stile des Abends. Support ist Körner, der seinen Musikstil als „Pop-Poesie“ beschreibt. Dazu die Mischung aus Unheilig mit ihren Songs aus dem Bereich Pop/Elektro-Rock/NDH und The Dark Tenor mit seiner eigenen Form des Classic Crossovers und rockigen Elementen.
Pünktlich um 19.30 Uhr betraten Körner und seine Band die Bühne. Körner ist ein junger Mann, Hemd, Stoffhose, Hosenträger… eleganter Lausbubencharme, ein Hauch 50er-Jahre-Charme umschwebt ihn. Man merkt, dass das Publikum interessiert ist, die Songs verfolgen. Offensichtlich hat der bisher recht unbekannte Musiker auch bereits eigene Fans vor Ort. Die Songs und Texte holen einen ab, Körners Lebensfreude die er auf der Bühne präsentiert, steckt an. Körner feiert sich und seine Band regelrecht auf der Bühne, seine Songs wirken gefühlvoll, sanft und doch spannend und lockend. Deutsche Texte, poetisch, mit moderner Popmusik, die eine deutliche Eigennote haben. Melodie und Stimme sind sehr gut aufeinander abgestimmt, mit Sicherheit ein Künstler, von dem man noch etwas hören wird.
Nach kurzem Umbau betraten dann die Musiker von Unheilig und The Dark Tenor sowie dessen Band die Bühne. Das Lichtspiel wirkte hier bedeutend mystischer und atmosphärischer als bei Körner. Nebelschwaden wabern durch die Halle, als das Intro los ging. „Wir sind alle wie eins“ ist der erste Song des Abends. Man kann sagen, ja Kritiker, ihr habt recht. The Dark Tenor klingt nicht wie der Graf, seine Interpretation des Liedes klingt anders. Anders, aber gut. Das Set besteht – Zugaben mitgerechnet – aus dem Intro und 18 Songs, davon zwei der unheiligen Tracks auf Englisch („Guided Under Flag“ und „Great Horizon“), gerade einmal fünf Songs des dunklen Tenors und elf Unheilig-Liedern. So macht die Zeitreise ihrem Namen alle Ehre – zumindest wenn man auf die älteren Unheilig-Songs nicht allzu viel Wert legt. Die richtig „alten“ Unheilig-Songs fehlten definitiv für eine Zeitreise.
Insbesondere im ersten Teil des Sets machte The Dark Tenor auch einige der für seine Auftritte üblichen Späße, was vom Publikum eher gemischt aufgenommen wurde. Während seine Fans die Einlagen bejubelten, sah man den übrigen Teilnehmern stellenweise eine gewisse Irritation an. Ein neben mir stehender Herr fragte mich, was das für Einlagen sind und warum nicht einfach gesungen werde. Insbesondere die Dark Tenor-Fans freuten sich über die Info, dass der Tenor bei seiner Mutter Geigenunterricht hatte und dieses Instrument nicht unbedingt bevorzugte. Ebenso wenig wie die Bratsche, die er von einer Musiklehrerin zu spielen lernte. „Irgendwann lernte ich E-Gitarre, weil das besser ist um Mädchen abzuschleppen“, so der Tenor zum Publikum. Darauf erwiderte Pianist Eric, dass er als Jugendlicher nicht mit seinen Kumpels im Wald an Mopeds schrauben durfte, dafür Klavierunterricht hatte. Die Feststellung, dass er nun auf der Bühne steht und seine Kumpels immer noch an Mopeds schrauben ließ dann auch beinahe das gesamte Publikum lachen.
Eine klangvolle Überraschung war ein Song, der neben „Guided Under Flag“ wohl auch auf dem Ende September erscheinenden dritten Album des dunklen Tenors sein wird: „I miss you“, melodisch basierend auf dem Robert Miles-Hit „Children“ aus dem Jahr 1996. Gefühlvoll, sanft, voller Sehnsucht… bei diesem Song punktete The Dark Tenor mit seiner einzigartigen, gefühlvollen, tiefgreifenden Stimme. Eben das, wofür seine Fans ihn kennen und lieben. Leider gelang es ihm nicht, diese 100%igen Emotionen in die Unheilig-Songs zu transportieren. Technisch sauber bot er „Lichter der Stadt“ und die übrigen unheiligen Songs dar, keine Frage. Es machte auch Spaß, die Lieder zu hören, den Abend zu feiern. Aber es sind einfach keine Songs für einen Tenor, sie sind für einen Bariton, leben von dessen tiefer Stimmfarbe. Die Akustik-Version meines favorisierten Songs „Afterglow“ hingegen war einfach bombastisch, pure Emotionen. Ein Song, den ich bereits öfters auch live gehört habe. Jedoch nie derart kraftvoll und ausdrucksstark wie vergangenen Samstag. Der lautstarke Applaus des Publikums erweckte bei mir den Eindruck, dass ich mit dieser Einschätzung nicht alleine war.
Mit „River Flows On The Edge“, dem ein oder anderen auch bekannt aus der Twilight-Reihe als „River Flows in You“ des südkoreanischen Komponisten Yiruma, ging es in den zweiten Rock-Part. Bei Track 15 des Abends, „Wie in guten alten Zeiten“, kochte das Publikum fast über. Mit einem Mal hüpften, tanzten und sangen alle Gäste, selbst die, die vorher zurückhaltend das Geschehen beobachteten. Das änderte sich auch bei „Lichter der Stadt“ und „Zeit zu gehen“ nicht mehr. Im zweiten Rock-Set des Abends gelang es The Dark Tenor, das Publikum nonstop mitzureißen. Die Gäste vor der Bühne tanzten und sprangen was das Zeug hielt. Nach „Zeit zu gehen“ folgten zwei Zugaben, die „Ode an die Freude“ und „Geboren um zu Leben“. Die Aufforderung des dunkeln Lords, wie seine Fans ihn auch gerne man nennen, bei der „Ode“ mitzusingen, irritierte den ein oder anderen sichtlich. Hier entschlossen sich einige wenige, den Saal doch lieber schnell und fluchtartig zu verlassen. Aber kaum der Rede wert, der Großteil machte einfach mit. Bei der zweiten Zugabe „Geboren um zu Leben“ wurde von der Technik die Lautstärke gut hörbar übersteuert, dennoch stieß der Song auf offene Ohren und lautstark mitsingende Menschen.
Mit dem Wissen, was insbesondere auf einer der beiden Fanseiten stimmungsmäßig los war in den vergangenen Wochen und Monaten – und auch nach wie vor los ist – muss man ehrlich sagen: Ja, es gab einzelne Konzertbesucher, die das E-Werk tatsächlich vorzeitig verließen. Aber das waren wirklich so wenige, dass sich deren Erwähnung im Grunde nicht mal lohnt. Der überwiegende Teil der Besucher schien sichtliche Freude an Support Körner und dem Projekt von Unheilig und The Dark Tenor gehabt zu haben. Ein Projekt, dass man musikalisch durchaus hören kann. Es ist einfach ein Kompromiss aus der Musik von Unheilig und The Dark Tenor, als Projekt meiner Meinung nach eine gute Sache, um einfach mal andere Wege zu erkunden. Gemeinsam etwas einzigartiges zu schaffen und anschließend mit neuen Erfahrungen an neue Projekte ranzugehen oder auch alte Wege wieder zu beschreiten.
Nichtsdestotrotz ist die Live-Show durchaus einen Besuch (oder auch zwei oder drei) wert, daher hier die kommenden Tour Dates:
26.04. Dresden
27.04. Leipzig
28.04. Berlin
17.05. Hannover
18.05. Hamburg
19.05. Bochum
24.05. Stuttgart
25.05. Nürnberg
26.05. München
27.05. Frankfurt
01.06. Wien (AT)
02.06. Zürich (CH)
Das Konzert, seine Künstler, das Gesamtpaket, es hat mich abgeholt und dennoch bleibt es, dieses Gefühl, in einer emotionalen Achterbahn zwischen Faszination am Ergebnis und Wunsch nach alten Klängen zu sitzen. Musik ist Geschmacksache, subjektives Empfinden und man muss auch nicht immer auf einer Welle schwimmen, so bleibt es spannend 😉
Setlist:
- Intro
- Wir sind alle wie eins
- Alles hat seine Zeit
- So wie du warst
- Ein großes Leben
- After the nightmare
- Wild horses
- I miss you
- Mein Leben ist die Freiheit
- Für immer
- Afterglow
- River flows on the edge
- Great horizon
- Guided under flag
- Wie in guten alten Zeiten
- Lichter der Stadt
- Zeit zu gehen
- Ode an die Freude
- Geboren um zu Leben