Geschrieben von Katja Rohloff
Band: Unprocessed
Album: Covenant
Genre: Modern Progressive Metal
Plattenfirma: Long Branch Records
Veröffentlichung: 13. April 2017
Nach einer Minute hatten mich Unprocessed ja eigentlich schon irgendwie um den Finger gewickelt. Denn schon nach den ersten 60 Sekunden des Openers und Titeltracks „Covenant“ war klar, dass sich Unprocessed nicht in verstaubten alten Prog-Gefilden bewegen, weder instrumental noch gesanglich. Und 48 weitere Minuten später stand fest, dass sie diesen Ansatz auch konsequent durchziehen. Eine sehr wohltuende Erfahrung.
Die 2014 gegründete Band aus Wiesbaden hat in ihrer kurzen Geschichte schon ein paar Besetzungswechsel durchlaufen müssen, aber kann auch schon eine beachtliche Diskografie aufweisen, denn noch im Gründungsjahr wurde das Debütalbum „In Concretion“ veröffentlicht, 2016 folgte die EP „Perception“ und nun schon das zweite Studioalbum. Parallel zu und wahrscheinlich auch durch diese Produktivität haben sich Unprocessed eine beachtliche Fangemeinde erspielt.
Für Unprocessed ist ein Album anscheinend nicht nur die Möglichkeit, eine Ansammlung von Songs zu präsentieren, sondern ein Album wird als Gesamtkunstwerk betrachtet, das beim Cover Artwork anfängt und bei der Titelfindung endet. Namen haben hier definitiv eine Bedeutung. Und immerhin gibt es ein Prog-Klischee, das die Wiesbadener mit „Covenant“ bedienen, denn es ist ein Konzeptalbum. Alle anderen Klischees können weiter im Keller verstauben, mit so einem Blödsinn halten sich Unprocessed nicht auf.
„Covenant“ erzählt von dem, was in uns Menschen vorgeht und unsere ewige Suche nach Antworten in einer kryptischen Welt. Der Protagonist erlebt dabei Höhen und Tiefen, hat Visionen eines farbenfrohen Paradieses und begegnet einer Dämonin, die ihn sirenenhaft ins Verderben ziehen will, ihn aber schließlich doch zur Flucht in eine Unterwasserwelt zwingt. Die Geschichte wird dabei nicht nur durch die Texte, sondern auch durch die Musik erzählt, denn Emotionen brauchen keine Worte.
Es gibt so viel über „Covenant“ und Unprocessed zu berichten, dass ich fast nicht weiß, wo ich anfangen soll. Sänger Manuel besticht durch eine Stimme, die nichts mit dem ätherisch-leidenden Klang vieler Prog-Sänger zu tun hat. Emotionsgeladen und facettenreich gestaltet er die cleanen Parts aus. Wenn er dann plötzlich in gutturalen Gesang wechselt, kann man kaum glauben, dass die eben noch weiche Stimme plötzlich so knallhart klingen kann.
Musikalisch richten sich die Wiesbadener ebenfalls äußerst modern aus, so dass hier wahrscheinlich ewige Traditionalisten eher weniger Freude am Sound haben, Freunde des Modern Metal und Metalcore und ähnlicher Richtungen aber umso begeisterter zu Prog-Anhängern werden. Der Sound von Unprocessed ist druckvoll und mit Djent-Einflüssen gespickt, aber die Balance zwischen technischer Spielerei und Eingängigkeit wird durchgehend perfekt gehalten, dazu wird aus verschiedenen Einflüssen und Ideen ein perfektes Klangmosaik geschaffen.
Die erste Single „Haven“ ist eine schöne Visitenkarte für den Sound von Unprocessed. Aber jeder Song hat seinen eigenen gehaltvollen Charakter. So geht es bei „Ghilan“ deutlich bassbetonter und im drängenden Stakkato voran, über das die Gitarren nur vereinzelt eine rudimentäre Melodie legen, die im Solo den weiblichen Sirenengesang der Dämonin aufgreift. Entsprechend dominieren bei den Vocals die Shouts und der Klargesang ist nur im letzten Teil des Songs präsent, in dem der Protagonist die Flucht ergreift. Diese Melodie wird dann auch im anschließenden „Malleable“ aufgegriffen, welches sich wechselhaft als Duell der Rhythmusfraktion mit dem Melodiemotiv entwickelt. „The Mirror“ hingegen wird vom Piano dominiert, welches große Teile des Songs alleine bestreitet und sich auch im Zusammenspiel mit den anderen Instrumenten durchsetzt. Stilistisch tendiert es für mich dabei Richtung Post-Hardcore und ist einer der, durch seine Einzigartigkeit, auffälligsten Tracks auf dem Album.
Unprocessed bringen mit ihrem modernen Sound einen neuen Ansatz im oft zu sehr auf sich selbst bezogenen Progressive Bereich und sind daher die perfekten Botschafter, um neue Fans für ein tolles Genre zu begeistern. Weniger für Traditionalisten, dafür umso mehr für Anhänger der neueren Metal Spielarten ein definitiver Tipp.
Trackliste:
01. Covenant
02. Haven
03. Ghilan
04. Malleable
05. Millenium
06. The Division
07. The Mirror
08. Meridian
09. Exhale
10. Exeunt
Line-up:
Manuel Gardner Fernandes – Vocals, Guitars
Christoph Schultz – Guitars
Christopher Talosi – Guitars
David Levy – Bass
Leon Pfeifer – Drums
Weitere Infos:
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