Van Canto – Wir sind musizierende Menschen und keine Produktionsmaschinen

© Van Canto

 

Mit dem Hellfire Quick5 Interview versuchen wir für unsere Leser möglichst interessante Infos aus den Musikern rauszukitzeln, ohne dass sie sich seitenlangen Fragen/Antworten hingeben müssen. Wir vom Hellfire bemühen uns dabei, (mehr oder weniger) kurz und prägnant im Rahmen von 5 Fragen zu agieren (manchmal kann eine Frage auch gedoppelt oder getrippelt sein); den Musikern obliegt es, nach ihrem Gutdünken zu antworten: kurz und knapp bis hin zu ausschweifend und umfangreich.

 

Heute stellt sich Stefan von Van Canto unseren Quick5 Fragen.

 

HF: Gerade ist euer neues Album erschienen. Die Reaktionen darauf waren gemischt und zum Teil sehr kritisch. Wie fühlt ihr euch damit? Lest ihr die Kritiken überhaupt?

VC: Zuerst einmal muss man zwischen Kritiken und Meinungen unterscheiden. Lesen tun wir einiges, aber bestimmt nicht alles, das haben wir aber schon immer so gehandhabt. Publikationen wie der Metal Hammer sehen uns ja seit jeher eher kritisch, da haben wir uns irgendwann einfach abgewöhnt, irgendwen vom Gegenteil überzeugen zu wollen und ignorieren es einfach. Das ist besser als sich darüber zu ärgern, oder „objektiv“ gegen argumentieren zu wollen. Man darf Bands auch einfach nicht gut finden, völlig in Ordnung, solange es nicht in persönlich abwertenden Hasskommentaren im Internet endet, die einem einen sofortigen Tod wünschen weil der Song doof ist, haha.

Was dieses Mal neu ist, dass auch viele Meinungen aus dem Fanlager dazu kommen, die sich mit dem neuen Line-Up und auch mit neuen Sounds schwertun. Aus unserer Sicht fühlt sich das etwas komisch an, weil man unterstellen könnte, dass Musikinteressierte, die sich auf eine Metalband ohne Gitarren einlassen, offen damit umgehen, wenn mal ein Sänger wechselt, zumal wir Sly ja nicht rausgeschmissen haben, und einfach noch weiter Musik machen wollen. Aber Metalfans sind eben grundsätzlich sehr „treu“, und erwarten dann auch keine großen Änderungen, wenn sie sich mal an etwas gewöhnt haben. Und ganz klar: Wir respektieren jede Meinung, können aber nicht garantieren, dass wir aus jeder Meinung sofort eine Änderung für unser Songwriting ableiten. Das könnten wir gar nicht, dann käme nur noch Einheitsbrei raus, und den gibt es ja schon im Deutschpop.

Letztendlich ist Trust in Rust aber ja auch „nur“ ein Album. Es gibt allein von Van Canto noch 6 weitere, und diese werden ja nicht vom Markt genommen. Jeder kann heutzutage kostenlos vor dem Kauf in ein komplettes Album reinhören. Wir haben kostenlos vorab 3 Videos und ein Track by Track veröffentlicht und wir haben gar kein Problem damit, wenn jemand das Album nach diesen Previews einfach nicht kauft, weil er es nicht mag.

Wir mögen das Album aber. Es ist kein „Fehler“ oder „Versehen“, wir wollten es genauso machen und nehmen uns dieses künstlerische Recht auch raus. Wir sind musizierende Menschen und keine Produktionsmaschinen, bei denen man vor einem neuen Album die maximale Abweichungstoleranz in Prozent festlegen kann. Eigentlich seltsam, dass man gerade im Metal auf so was überhaupt hinweisen muss, haha.

Und – um das mal ins Verhältnis zu setzen – wir bekommen ja auch sehr viel positive Rückmeldung, vor allem von echten Menschen in der echten Welt. Das überwog schon immer negative Internetkommentare und so ist es dieses Mal auch. Die bisherigen Gigs mit Hagen waren super und die Meinung derer, die vor Ort waren 99% positiv – von daher: Die Wahrheit liegt auf der Bühne und wir freuen uns auf die Tour!

 

HF: Nach über 10 Jahren den Leadsänger zu wechseln ist bestimmt nicht einfach. Wie habt ihr versucht die sich daraus ergebenden Probleme zu lösen? Wie schnell konnte Hagen seinen Platz in eurer Gruppe finden?

VC: Also wenn wir nur „Probleme“ hätten lösen wollen, hätten wir es ja auch einfach sein lassen können. Wir wollten einen Sänger, der sich persönlich gut in die Band einfügt und der uns ein paar neue Möglichkeiten eröffnet. Wir nehmen ungern das gleiche Album zweimal auf. Jedes Album hatte bei uns einen anderen Sound, einen anderen Produzenten oder Mixing Engineer, einen anderen Fotografen, einen anderen Coverkünstler usw. Der Grund dafür ist nicht, dass wir uns mit allen verkrachen, mit denen wir zusammenarbeiten, sondern dass wir einfach gerne neue Sachen ausprobieren. Mit Dawn of the Brave war aus unserer Sicht der „klassische“ Van Canto Sound zu einer ziemlichen Perfektion geführt, weswegen wir mit Voices of Fire aus diesem Schema ausbrechen wollten und was ganz anderes gemacht haben, ein Konzeptalbum mit Erzähler und 5 verschiedenen Chören.

Und jetzt war eben Hagen die Chance mal ein paar neue Sachen zu machen und neue Sounds auszuprobieren.

 

HF: Das Songwriting auf „Trust in Rust“ scheint auf jeden Fall zum Teil noch auf Sly ausgelegt zu sein. Täuscht der Eindruck? Was hat sich am Songwriting gerade auch durch die Wechsel im Line-Up geändert?

VC: Alle Songs wurden geschrieben, nachdem wir entschieden haben mit Hagen weiter zu machen, es sind also keine „alten Sly Songs“ dabei. Van Canto Songs wurden auch vorher in den seltensten Fällen „für Sly“ oder „für Inga“ geschrieben, sondern für 6-7 Stimmen. Es gibt auch Songs, bei denen wir erst zum Aufnahmezeitpunkt festgelegt haben, ob jetzt männlicher oder weiblicher Leadgesang die Hauptrolle übernimmt und dann ggf. nochmal die Tonart angepasst haben. Tribe of Force ist so ein Beispiel. Higher Flight auch oder Badaboom. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wie z.B. Water Fire Heaven Earth (Inga) oder Steel Breaker (Sly). Hier hatten wir von Anfang an die Leadverteilung schon im Blick.

Von daher sind auch die neuen Songs erstmal für Van Canto geschrieben worden. Hell’s Bells geht aber nur mit einem Sänger, der auch klingen kann wie AC/DC, deswegen kam die Entscheidung für diesen Song schon zusammen mit Hagen. Und Desert Snake wurde mit den ganzen Growls und Screams eben auch für Stimmen geschrieben, die nicht nur melodisch singen, sondern auch growlen und screamen können – und all das macht Hagen sehr fein.

 

HF:  Inwiefern haben die personellen Wechsel die Gruppendynamik beeinflusst? Wie schwer war es für die „Neuen“ sich zu integrieren? Wie schwer wurde es ihnen vielleicht auch unbewusst gemacht?

VC: Jetzt sind es schon „die Neuen“, haha. Hagen ist ein feiner Kerl, wir haben nur ein paar Treffen und Proben gebraucht um 100% sicher zu sein und spätestens beim ersten Gig gemerkt, dass sich alles so anfühlt als wären wir schon ewig zusammen unterwegs. Ike war ja nur für ein Album offiziell nicht mehr dabei und selbst das hat er zu 80% noch eingesungen, er war also nie wirklich weg.

 

HF: Ihr entwickelt euch stetig weiter. Welcher Song steht am ehesten für Van Canto und die Richtung in die ihr euch entwickeln wollt?

VC: Alle unsere Songs sind Van Canto. Wir spielen auch live Songs von allen Alben, weil eben die ganze Entwicklung Van Canto ausmacht. Van Canto steht dafür, auszuloten, was man mit 6 Sängern und einem Drummer alles machen kann. Deswegen schreiben wir Songs von „Heading Home“ bis „Hearted“ und covern von Deep Purple über Nightwish bis Metallica.

Wenn ich nur einen Song auswählen dürfte, um jemanden Van Canto zu erklären, würde ich vom neuen Album wohl „Melody“ nehmen, aber dann würde ich direkt danach noch mindestens 5 andere (auch ältere) vorspielen wollen.

Aber ich werde den Teufel tun, und einen Song raus nehmen anhand dessen ich dann sage „Hierhin wollen wir uns entwickeln“. Wir sind doch keine Produktmanager, die ein jährliches Marktwachstum von 3,75% anstreben, wir sind eine Band! Wenn ich auf solche rein strategischen Entscheidungen stehe, gehe ich ins Büro, aber schreib keinen Song. Ich weiss doch noch gar nicht, wie ich mich nächstes Jahr fühle, also weiss ich auch noch nicht, wie die Songs klingen, die ich dann schreibe.

Wenn wir eine Idee haben, schreiben wir einen Song und nehmen ihn auf. Die, die diesen Song mögen kaufen sich vielleicht das Album. Und die, die ihn nicht mögen hören dann halt die alten Songs. Und diese alten Songs bleiben für immer da und wir haben sie immer noch genau so lieb 😉

 

HF: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt.

 

Interview: Michi Winner

 

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und hier findet ihr unsere Rezension von „Trust in Rust“

 

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