Nachdem im Juni Walter Pietsch seine CD „Once You Rock, Never Forget“ veröffentlicht hatte, bombardierte uns Kollege Gernot Sieger mit Bittschreiben, doch ein Interview mit dem Gitarristen machen zu dürfen.
Na, diesem Flehen konnte man einfach nur nachgeben; also Gernot: bitteschön!
HF: Hallo Walter, ich war hoch erfreut als ich hörte, dass Du mal wieder etwas Neues gemacht hast. Ich kenne Dich noch aus Deiner Axxis Zeit, und da hat mir bei den Stücken letztlich immer ein Quäntchen gefehlt.
Das ist bei Deinem aktuellen Album jetzt nicht mehr der Fall. Liegt es daran, dass Du im Laufe der Jahre gereift bist, oder hat es vielleicht damit zu tun, dass Du Dich nach Axxis von der professionellen Musik verabschiedet, und in der Industrie gearbeitet hast?
WP: Die Songs vom aktuellen Album reflektieren alles, was ich in den letzten Jahren erlebt habe – nach meinem Ausstieg bei Axxis.
Und klar, man wird ein bisschen besser, hoffentlich. Außerdem konnten wieder Einflüsse verarbeitet werden, die schon immer eine Riesenrolle spielten, wie z.B. der Blues. Dessen leichte Melancholie hört man zwar nur zwischen den Zeilen, aber sie gibt die Grundhaltung vor, die das Album prägt.
Und ganz wichtig, bei einem Soloalbum kann man nach Herzenslust „schalten und walten“ wie man möchte. Das prägt die Songs in vielen kleinen Details, die dann im Gesamten eine Art stilistische Klammer bilden, die das Ganze zusammenhält.
HF: Wie ist es Dir in der Zeit nach Axxis ergangen? Hast Du nebenher weiter Musik gemacht? Was führte zu der Entscheidung dies nicht mehr professionell zu tun?
WP: Die Trennung von meiner alten Band bedeutete für mich zunächst nur eines: Freiheit! „Endlich!“, dachte ich, endlich kann ich machen, was ICH will!
Aber die Sache hatte natürlich ihren Preis, denn man musste auch kapieren, dass das sichere Nest dahin war, das man jahrelang mit aufgebaut hat.
Fette Stadion-Gigs und Album-Produktionen in US-Studios waren erstmal passe. Also beschloss ich neuen, jungen Künstlern die Tür ein wenig aufzumachen und habe diverse Talente produziert, bevor ich dann für einige Jahre komplett ausgestiegen bin.
HF: Was war für Dich der Auslöser wieder zur Musik zurückzukehren?
WP: Ayrton Senna, der Formel 1 – Pilot, sagte mal: „Racing, competing…it’s in my blood – I can’t drop it“
Ich denke, das kann ich fast so stehen lassen. Natürlich ist Musik im Unterschied zu Autorennen kein Wettbewerb, aber der Kick, sich mit Leuten zu teilen, das Vibrieren der Gitarren…das vergeht nicht. Nie.
HF: Hat es sich einfach gestaltet eine passende Plattenfirma zu finden?
WP: Das war mal wirklich leicht! Es gab keine Frage, wen ich anrufen würde, wenn’s Ernst wird: Wolfgang Rott von CMM. Wolfgang war unser erster professioneller Begleiter in den frühen Axxis-Tagen und wenn man nach so langer Zeit zurückkehrt ist die wichtigste, wenn nicht einzige Währung, auf die es ankommt, Vertrauen.
Zudem hat ihn und sein Team die Musik sofort gekickt. Spätestens da war klar, dass wir’s zusammen machen.
HF: In wieweit haben Dich die Erfahrungen aus der Zeit mit Axxis bis heute geprägt?
WP: Die Zeit mit Axxis war sicher die wichtigste in meinem Leben, und das nicht nur musikalisch, sondern besonders auch menschlich.
Es gab wahnsinnige Begegnungen mit Irrsinns-Leuten, und natürlich auch die ein oder andere kleine Enttäuschung konnte nicht ganz außen vor bleiben.
Aber nach so einem geballten Erfahrungs-Cocktail ist man definitiv nicht mehr ganz so leicht aus der Bahn zu werfen, wie am Anfang als totales Greenhorn. Vielleicht ist das Wichtigste, was man lernt, die Guten von den Schlechten zu unterscheiden und das man die Guten besonders schätzt.
HF: Welchen Hintergedanken hast Du beim Text für den Titelsong gehabt? Hat das einen persönlichen Bezug?
WP: Das sollte einen persönlichen Bezug zu Jedem haben, der das hört! „Once you rock“ hat mit einer winzigen Erkenntnis zu tun: Das Leben ist eine Fete, aber irgendwann kommt einer, macht das Licht an und sagt: “Sorry Leute, die Party ist vorbei!“ An diesem Punkt ist ein jeder von uns gut beraten, die Dinge erledigt zu haben, die er/sie immer schon machen wollte und nicht ständig Zeit zu verplempern mit Sachen, die andere von einem erwarten.
Man hat nicht immer die Wahl, klar. Aber wenn man sie hat, sollte man zugreifen und nicht zögern. Die Rückkehr auf die Bühne ist dabei meine persönliche Wahl – bevor ich riskiere, dass irgendwer auf meinem Grabstein liest: „Ruhe in Frieden, stiller Walt!“
HF: Ich finde das Album vom Songwriting her sehr variabel, es deckt musikalisch eine große Bandbreite ab. Trotzdem zieht sich eine klare Linie durch die Stücke. Es ist aber auch weit von dem entfernt, was Du früher gemacht hast. Was hat Dich beim Songwriting beeinflusst?
WP: Vor allem eins: Mich wieder mit dem Rest der Welt zu verbinden! In musikalischer Hinsicht alles, was nach dem Sektkorken-Prinzip Gitarre spielt, die großen Licks und Soli, die aufpoppen und die dich vom Stuhl hauen, weil sie wild sind und doch kontrolliert, weil sie reden ohne zu labern.
Deep Purple, Ted Nugent, Beatles, Allman Brothers, Sting, Clapton, Aphrodite’s Child…und dann der gute alte Metal – das sind die Roots, die meine musikalische Uhr ticken lassen.
HF: Hast Du die Stücke alleine geschrieben, oder waren Deine Mitmusiker am Songwriting beteiligt?
WP: Dummerweise musste ich diesmal wirklich fast alles alleine machen, aber wenn das so weitergeht, mit meiner neuen Band, werden wir beim nächsten Mal sicher zusammen Hand anlegen.
HF: Was war Dir bei der Auswahl der Musiker für Deine Band wichtig?
WP: Attack!! Es war recht schwierig, eine zweite Gitarre zu finden, die dieses eigentümliche Attack hat, um sich mit meiner zu kombinieren – Turbine ist die perfekte Wahl. Slava und Alexey kamen dazu, weil sie unbedingt mit IHR spielen wollten und weil Alexey, unser Drummer, in seiner Jugend ein riesiger Axxis Fan war. Shaby, der Keyboarder, ist ein alter Kumpel von mir und jetzt bin ich in der glücklichen Lage in einer Band zu spielen, in der ich nicht automatisch der Beste bin. Das ist neu für mich, aber es spielt alles letzten Endes keine Rolle gegen die Tatsache, dass ich mit vier komplett durchgeknallten, einzigartigen Leuten spiele, die jedoch eines verbindet: Charakter.
HF: Natürlich würden unsere Leser gerne erfahren, ob man Dich in nächster Zeit auch mal live erleben kann. Ist das bereits etwas in Planung?
WP: Oh ja! Wir werden im Frühherbst einige Warm-Up-Gigs spielen und im November dann mit der US-Formation Tyketto auf Tour sein. Schaut am besten mal bei FB rein, da findet sich alles.
HF: Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus? Werden wir noch weitere Alben von Walter Pietsch genießen dürfen?
WP: Definitiv ja! Da mich meine Erfahrung gelehrt hat, dass man für’s erste Album zehn Jahre hat und für’s zweite zehn Wochen, habe ich bereits begonnen, an neuen Songs zu arbeiten. Vielleicht werden wir zur Tour im Herbst bereits etwas davon veröffentlichen. Eins ist aber jetzt schon klar: es wird keine Aufguss von „Once you rock – never forget“ geben.
HF: Mich persönlich würde es sehr freuen, wenn da auf Dauer noch mehr kommen würde. Derzeit ist Dein Album mein absoluter Favorit im CD Wechsler vom Auto, den Titelsong finde ich das Highlight.
WP: Merci, dafür hab‘ ich’s gemacht!
HF: Ich danke Dir für die Mühe meine Fragen zu beantworten und wünsche Dir für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg!
WP: Jederzeit wieder, alles Gute!
Interview: Gernot Sieger
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