Geschrieben von Oliver Heberling // Foto by gräffix by Marco G.
Schlachthof Wiesbaden // 02.02.2019. Nachdem sich muff potter. im Dezember 2009 auflösten, fragte ich mich enttäuscht, ob ich wohl irgendwann doch noch die Chance bekäme, sie mal live zu sehen. Das 2005 erschienene Album Von Wegen hörte ich in meiner Jugendzeit rauf und runter, dazu fanden sich auch vereinzelte andere Lieder wie “Sgt. Mangelkrämer” regelmäßig in meiner Playlist wieder. Seit ihrer Auflösung habe ich muff potter. zwar nur noch selten gehört, jedoch regelmäßig in Gesprächen, wer sich denn bitte mal wiedervereinen könne, an diese Band gedacht. Scheinbar ging es nicht nur mir so, immerhin waren alle Konzerte der derzeit laufenden Tour binnen kürzester Zeit restlos ausverkauft, so auch der Schlachthof Wiesbaden, zu dem muff potter. eine besondere Verbindung haben. Sie spielten hier immerhin ihre 13. Show, in wechselnden Konstellationen und unter anderem als Vorband der Queens of the Stone Age und der befreundeten Hot Water Music, die sie auf deren Tour zum 25-jährigen Bandjubiläum im November auch supporten werden. Auch zum Schlachthof kehren sie, gemeinsam mit Frank Turner & the sleeping Souls im Sommer wieder zurück. Doch nun zum aktuellen Auftritt:
Als wir gegen 19.15 Uhr am Einlass ankamen, war dort quasi niemand. Auch drinnen war es noch verhältnismäßig sehr leer, dafür dass die Show schließlich ausverkauft war. Im Laufe des Abends beschlich mich das Gefühl, dass viele Ticketinhaber gar nicht anwesend waren, da ich den Schlachthof in ausverkauftem Zustand deutlich kuscheliger in Erinnerung habe. Womöglich lag es daran, dass einige, die sich aufgrund des Andrangs ihr Ticket frühzeitig sicherten, sich anschließend wegen der vielen Festivalshows im Sommer umentschieden, ihr Ticket jedoch nicht mehr losgeworden sind und es verfallen ließen. Egal, denn der Stimmung tat das keinen Abbruch.
Um kurz nach 20 Uhr betrat der Support-Act FELIX GEBHARD die Bühne. Nur mit der Gitarre und einer Loop-Station bewaffnet kündigte er an, vier Akte in unterschiedlicher Lautstärke zu spielen. Entgegen meiner aus Unkenntnis entstandenen Erwartung, der Voract sei ein Singer-Songwriter, stellte FELIX GEBHARD sich sehr rasch als Experimentalmusiker heraus. Damit konnte er das Publikum jedoch kaum für sich gewinnen, auch mich nicht. Seine Gitarrenloops waren reichlich unspektakulär und wirkten auf mich wie ein auf Länge gezogenes Post-Rock-Interludium. Innerhalb der vier Akte wurde GEBHARD auch von muff potter.-Bassist Dominic Laurenz, zuerst an der Loop-Station, später am Bass, und auch Schlagzeuger Thorsten Brameier unterstützt. Auch im Verlauf des Konzerts stellte er sich als Freund der Band raus, der neben Roadie-Tätigkeiten während des muff potter.-Auftritts auch den Sprechpart des Openers “Born blöd” übernahm und auf die Bühne geworfene Becher für Viva con Agua einsammelte. In den intellektuellen Dunstkreis von Thorsten Nagelschmidt, der sich unlängst als Buchautor hervorgetan hat, passt die experimentelle Musik von FELIX GEBHARD gut hinein, als Opener für ein Punk-/Alternative Rock-Konzert hatte er in seinen knapp 30 Minuten Auftritt wenig Erfolg.
Eine Stunde später betraten dann muff potter. für ihr zweistündiges Wiesbadener Comeback die Bühne. Nagel nutzte die Zeit, um diverse Erinnerungen an die vergangenen Auftritte im Schlachthof mit dem Publikum zu teilen, zum Beispiel sein Hot Potter Music-Graffiti bei einem der gemeinsamen Konzert mit der Post-Hardcore Band aus Gainesville, deren Fans sich auch in der Menge tummelten. Das Bühnenbild mit zwei Nachttischlampen war spärlich, gepaart mit gekonntem Stroboskoplicht-Einsatz aber ästhetisch sehr ansprechend. Manchmal ist weniger eben mehr. Was für die Augen gespart wurde, gab es dafür umso weitreichender auf die Ohren. muff potter. nutzten ihre Zeit, um immerhin 22 Lieder zu spielen, die meisten davon mit jeweils sechs von ihrem vorletzten Album Steady Fremdkörper und dem von mir heißgeliebten Von Wegen. Auf “Born blöd” als Opener folgte zum Klassiker “Take a run at the sun” der erste Radau, als Unmengen von Bechern auf die Band geworfen wurden. Ein Bild, das sich durch den Abend ziehen sollte. Die Stimmung in der Halle war so abwechslungsreich wie die Setlist. Die Mischung aus schnelleren punkigen Highlights wie “Wir sitzen so vorm Molotow”, “Wenn dann das hier” oder “Allesnurgeklaut” und nachdenklich-ruhigeren Songs wie “23 Gleise später” und “Den Haag” kam beim Publikum gut an. Auf diese Weise konnten sie auch unbedarfte Zuschauer, denen muff potter. entweder gar kein oder nur vom Namen her ein Begriff war (alleine drei befanden sich in unserer fünf Personen starken Gruppe) überzeugen. Ich kann muff potter. nur wünschen, dass ihnen nach abebben des Comeback-Hypes auch weiterhin ein Publikum in dieser Größenordnung erhalten bleibt. Im Schlachthof haben sie dafür jedenfalls alles gegeben und ich freue mich, sie in diesem Jahr als Vorband von Hot Water Music und auf dem Open Flair Festival in Eschwege zumindest in abgespeckter Variante noch zwei weitere Male genießen zu können.
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Weitere Infos:
Muff Potter
Felix Gebhard
Schlachthof Open Air mit muff potter. und Frank Turner & the sleeping souls (u.a.)
Schlachthof Wiesbaden